Nicaraguas Revolutionsgeneral Ortega tritt zurück

■ Der sandinistische Armeechef Ortega will nach 15 Jahren sein Amt aufgeben / Er kommt einer Entlassung durch die Präsidentin zuvor / Druck der USA erfolgreich

Berlin (taz) – Nun ist es doch soweit: Am Montag, dem vierten Jahrestag der Amtsübernahme von Präsidentin Violeta Barrios de Chamorro, kündigte der nicaraguanische Armeechef Humberto Ortega seinen Rücktritt an. Nicht gleich, freilich, sondern „in Absprache mit der Regierung“ von Präsidentin Violeta Chamorro dann, wenn ein neues Gesetz über das Militär in Kraft tritt.

Das aber ist bereits fast fertig, in den nächsten Tagen soll der Entwurf ins Parlament eingebracht werden, spätestens im Juni soll es verabschiedet werden. Darin werden die Amtszeiten für Armeegeneräle geregelt und die Aufgaben der Armee definiert.

Tatsächlich ist Ortega der sicherlich umstrittenste Politiker des derzeitigen Nicaragua. Der Bruder des Ex-Präsidenten Daniel Ortega hatte als Armeechef während der sandinistischen Herrschaft den Krieg gegen die Contras befehligt. Sein Verbleiben im Amt war für die demobilisierten Contras später ein nicht akzeptables Symbol ihrer eigenen Niederlage. Zwar war Ortega seit der Amtsübernahme der konservativen Regierung offiziell nicht mehr Verteidigungsminister, da dieses Amt jedoch von Violeta Chamorro selbst wahrgenommen wurde, blieb er es de facto doch. Begründung: Ortega solle die Umstrukturierung und Verkleinerung der Armee koordinieren.

Das hat er auch: Von einer Wehrpflichtigenarmee von 80.000 Männern und Frauen ist die „Sandinistische Volksarmee“ (EPS) mittlerweile zur Berufsarmee von 13.000 Mann geworden. Aber Ortega blieb in der Schußlinie: Als am 28. Oktober 1990 der Jugendliche Jean-Paul Genie, der gerade mit seinen Eltern aus Miami zurückgekehrt war, unter bislang ungeklärten Umständen auf einer Landstraße nahe Managua ums Leben kam, geriet Ortega unter Mordverdacht, genauer, seine Leibwache. Denn Ortegas Haus im Reichenviertel Las Colinas liegt unweit der Stelle des Mordes. Die Leibwächter des Ortegaschen Wagenkonvois hätten sich provoziert gefühlt, sagten die Eltern des Getöteten, als der Jugendliche den Konvoi hätte überholen wollen. Sie hätten daraufhin geschossen.

Dafür sprechen ebenso viele Indizien wie dagegen. Ortega ließ das Militär jegliche Beteiligung bestreiten, doch die gesamte Rechte beschimpfte den General als „Mörder“ und forderte „Gerechtigkeit“. Nach ergebnisloser Verhandlung in vier zivilen Instanzen landete die Sache schließlich bei der Militärjustiz. Die reagierte prompt und stellte Ortega für die Zeit der Ermittlungen unter Hausarrest. Auf sein Recht, in die Verfahrensführung einzugreifen, verzichtete der Oberbefehlshaber, erklärte den ganzen Vorfall aber öffentlich zur „Zerstörungskampagne gegen die Armee“. Der Fall ist noch immer ungeklärt.

Druck gegen das EPS aber auch von links: Was die Sandinisten noch 1990 als Absicherung der „Macht aus den Gewehrläufen“ begriffen hatten, schien sich gegen sie zu wenden. In dem Maße, wie die US-Regierung die Absetzung des Generals zur Kardinalfrage für neue Wirtschaftshilfe erklärte, versuchte die Armee ihre Loyalität gegenüber der konservativen Regierung unter Beweis zu stellen. Höhepunkt: die gewaltsame Zerschlagung der „Revolutionären Arbeiter- und Bauernfront“, als diese neue sandinistische Guerilla im vergangenen Jahr bewaffnet die Stadt Esteli besetzte. Ortega ordnete die Gegenoffensive an: Die Revolutionäre, großenteils selbst ehemalige Angehörige der Armee, wurden gnadenlos zusammengeschossen. Als Ortega später Esteli besuchte, schollen ihm auch dort laute „Mörder!“-Rufe entgegen – von den SandinistInnen. Das alles aber nutzte gegenüber dem Ausland gar nichts. Zwar zahlten die USA einen Teil des 1992 eingefrorenen Geldes, als Präsidentin Chamorro im Sommer letzten Jahres ankündigte, Ortega 1995 zu entlassen. Der Großteil aber blieb gesperrt. Ausgerechnet am „Tag der Armee“ hatte die Präsidentin dann im September beschieden, den General doch schon 1994 aus dem Amt zu werfen – und US-Präsident Clinton gab den Rest der Finanzhilfe frei. Bernd Pickert

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