Die Sparlotterie ist eröffnet

■ Generaldebatte der Bürgerschaft zum Stadthaushalt 1994: Regierung und Opposition lieben es nett und wolkig Von Florian Marten

“In den nächsten zehn bis 15 Jahren werden die Politiker immer häufiger Nein statt Ja sagen. Wir werden sparen müssen und nicht mehr verteilen können.“ Stadtchef Henning Voscherau verbreitete gestern gut gelaunt wie lange nicht schlechte Botschaften. Grund der Freude: Die Oppositionsparteien CDU und GAL konnten dem Sparkurs der rotgrauen Stadt-Regierung keine echte Alternative entgegensetzen.

CDU-Fraktionschef Ole von Beust bemühte sich, Oppositions-Profil auf der philosophischen Ebene zu entwickeln. Die CDU, so dozierte er, wolle die Staatstätigkeit künftig auf ihre eigentlichen Zwecke, auf „Innere Sicherheit“ (mehr statt weniger Polizei), „Leistungsstandort Hamburg“ (Transrapid und Hochbegabtenförderung) und „Gerechtigkeit“ (Erfolgskontrolle bei Subventionen) eindampfen. Dies solle, so machte von Beust sich Mut, im „Abbau des Staates“ gipfeln. Die Krise eröffne schließlich die „Chance zur Privatisierung“. Hatten die CDU-Haushaltspolitiker bisher immer mit Zahlen und Fakten hantiert, der Regierung den Spiegel vorgehalten, so beließ es der freundliche CDU-Hoffnungsträger diesmal bei unverbindlichen Gemeinplätzen. Spöttischer Zwischenruf Voscheraus: „Nett allein genügt nicht!“

Wortreich und schöngeistig erläuterte GAL-Finanzanalytiker Willfried Maier, warum alle Sparanstrengungen nicht ausreichen könnten, selbst wenn sie grüne Inhalte (Selbsthilfe-Förderung statt ÖTV-Mästung, Radikalreform der Verwaltung) berücksichtigen würden. Maier entwickelte statt dessen die Idee, den reichen Deutschen bundesweit in die Tasche zu greifen. Eine auf zehn Jahre verteilte zehnprozentige Vermögenssteuer auf das tatsächliche Privat-Vermögen der Deutschen wg. Einheitskosten könnte, so Maier, die öffentlichen Haushalte bundesweit nachhaltig entlasten. Hamburg bekäme jährlich so ca 350 Millonen Mark. Kleiner Schönheitsfehler: Diese Attacke auf Deutschlands Privatkapital steht nicht in der Macht Hamburgs. Hier sind Bundestag und Bundesrat zuständig. Und: Die Stadtkasse profitierte und profitiert wie kein anderes Bundesland vom speziellen Einheitsboom.

Statt-Partei-Chef Markus Wegner begnügte sich damit, 30 Minuten lang CDU-Anträge vorzulesen, um zu beweisen, wie dumm seine ehemalige Partei ist. Sein Fazit: „Ich bin froh, daß ich nicht mit der CDU kooperieren mußte.“ Auch Voscherau blieb freilich die Antwort schuldig, wie die Stadt die jährlichen Defizite der nächsten vier Jahre von durchschnittlich 1 bis 1,5 Milliarden Mark stopfen will, wenn die bisherigen Planungen lediglich Flicken von jährlich 200 bis 800 Millionen anbieten. Auskunftsfreudiger dagegen zeigte er sich in zwei anderen Politikfeldern. Warum er am Dienstagabend die Krisen-Sitzung des SPD-Landesvorstandes in Sachen Parteispaltung ausgelassen habe? Ganz einfach: „Ich habe mir das Kindertheater Jim Knopf und Lukas der Lokomitivführer angeschaut. Dieser Termin war mir wichtiger als ein Sturm im Wasserglas.“ Einmal auf der Lokomotive ging er auch dem Transrapid nicht aus dem Weg. Sein Versprechen: Wenn Bundeskanzler Scharping Hamburg Ende 1994 den Bau einer ICE-Hochgeschwindigkeitsstrecke Hamburg-Berlin anbiete – „dann werden wir zugreifen“! Aber: Falls nun doch ein Bundeskanzler Kohl den Transrapid offeriert? Voscherau: „Dann sage ich nicht nein.“