Die Schatten der Lakota

■ Ab heute im Überseemuseum: „Lakol Wokiksuye“ - Fotos zur Geschichte der Plains-Indiander

„Schattenfänger“ sagten die Lakota zu den Fotografen, die in den letzten Jahrzehnten der Indianerkriege von Fort zu Fort zogen, beladen mit einer Ausrüstung von gut 200 Kilo Gewicht. Wo immer sie ihre Dunkelzelte aufschlugen, entstanden Aufnahmen, von denen man wohl schon damals wußte, daß es die letzten waren: Große Häuptlinge, tapfere Krieger schauen uns an, und allesamt sind besiegt; die künstlichen Kulissen des Weißen Mannes, vor denen sie in voller Montur erscheinen, deuten ihr Verschwinden schon an.

Aber immerhin: Es gibt die Fotos. Im Überseemuseum ist jetzt eine kleine Auswahl zu sehen, zusammengestellt von der Wiener Ethnologin Helga Lomosits im Jahre 1990, hundert Jahre nach dem Massaker von „Wounded Knee“, welches sich übrigens als eines der allerersten Medienspektakel unter großer Anteilnahme der Weltpresse zugetragen hat. Einige dokumentarische Aufnahmen zeigen, wie es hinterher aussah; darunter findet sich das berühmte Foto des Häuptling Bigfoot, erfroren im Schneesturm nach dem Gemetzel.

Die Fotografen interessierten sich aber durchaus auch für den indianischen Alltag, soweit sie seiner noch habhaft werden konnten. Man sieht das Haus, welches Red Cloud im Reservat bezog, man sieht ein paar Tipis, vor denen büschelweise der Mais zum Trocknen hängt wie früher das Fleisch der Büffel, die es nicht mehr gibt; man sieht die Ankunft der von der Regierung ersatzweise gelieferten Rinder, und man sieht, wie die Lakota diese Rinder sorgsam mit Pfeil und Bogen erlegen, weil sie's anders nicht über sich bringen.

Diese Fotos sind natürlich allesamt Dokumente einer unaufhörlichen Niederlage, und die Lakota, die heute in der Pine Ridge Reservation im südlichen Dakota leben, waren anfänglich von der Idee einer Ausstellung nicht eben begeistert.

Es gibt aber auch eine Menge Bilder, aus denen stolzgereckt das pure Selbstbewußtsein blickt: Die Portraits dieser Ausstellung zeigen bedeutende Mannsbilder, und alle sitzen sie geradezu gemeißelten Antlitzes vor den Kitschkulissen der Fotografen und haben ihr schönstes Ornat angelegt.

Vom Häuptling Red Cloud weiß man, daß er auf Reisen immer seine Visitenkarten mit Foto im Gepäck hatte, und ganz allgemein erhöhte es die Reputation ungemein, wenn man einmal porträtiert worden war.

Übrigens hat während der Vorarbeiten das Überseemuseum in den eigenen Beständen elf kostbare Portraits entdeckt, von denen niemand mehr etwas wußte. Es war der schiere Zufall, und anders wären die Bilder auch gar nicht ans Licht gekommen, denn das Museum kann bekanntlich an seine Schätze nicht mehr heran, solange es kein neues Magazin kriegt. schak

bis zum 17. Juli, Katalog: 50 Mark