Affäre Lahl wird zur Affäre Siemens

■ Retourkutschen-Debatte in der Bürgerschaft / CDU-Mann bei Siemens auf der Gehaltsliste

Gestern sollte es in der Bürgerschaft eigentlich noch einmal um die Affäre Lahl gehen, doch am Ende stand die Affäre Siemens. Der Grüne Dieter Mützelburg brachte den CDU-Umweltpolitiker Günter Niederbremer ins Zwielicht, indem er bekanntgab: Niederbremer steht bei Siemens auf der Gehaltsliste. Siemens steht für ein Müllbeseitigungsverfahren, das die einzige ernstzunehmende Konkurrenz zu dem Verfahren ist, das Umwelt-Staatsrat Uwe Lahl für Bremen haben wollte. Schlußfolgerung: Lahl ist nicht nur Opfer eigener politischer Dusseligkeit, sondern eines beinharten Kampfes um den Millionenauftrag, und Siemens hat ein U-Boot in der bremischen Politik, das heißt Günter Niederbremer. Nur sprach niemand diese Schlußfolgerung offen aus. Kein Wunder, denn Beweise gibt es keine. Ob Niederbremer Siemens sponsert, ist ebenso wenig bewiesen, wie die Manipulation der Gutachtenvergabe durch Lahl .

Der Umweltstaatsrat hatte im Gutachterverfahren für die Restabfallbeseitigungsanlage RABA mitgemischt, obwohl er zu einer Bewerberfirma besondere Beziehungen hatte. Seine Frau ist bei einer Tochterfirma beschäftigt und Lahl selbst hatte einen Geschäftsführervertrag bei eben dieser Firma in der Tasche, bevor er Staatsrat wurde. Das hatte Lahl bis zuletzt verschwiegen, auch gegenüber seinem Senator. Das führte letztlich zu seiner Entlassung. Daß er tatsächlich seine Macht mißbraucht und diese Firma bevorzugt hätte, konnte ihm nicht nachgewiesen werden.

Das war es aber, was Niederbremer gestern im Parlament noch einmal versuchte. „Die Lebenserfahrung“ lehre, daß Lahl über die Geschäftsverbindungen mit seinem Senator gesprochen haben müsse. Dreimal sei die Firma mit Aufträgen versorgt worden. Niederbremer: „Vetternwirtschft in Reinkultur“, und „Senator Fücks wußte von Anfang bis Ende Bescheid.“

„Ein ausgesprochen mieses Verfahren, Spekulationen als Tatsachen auszugeben“, konterte Mützelburg für die Grünen, um dann auf genau derselben spekulativen Ebene zurückzuschlagen: Es gehe nicht um Lahl, sondern um die Müllpolitik. Bremen habe sich für die innovative Flugstromvergasung entschieden. In Bonn dagegen seien die Weichen für das Schwelbrennverfahren gestellt worden, und das werde nur von Siemens angeboten. Und dann zitiert Mützelburg nur noch aus dem Handbuch der Bürgerschaft über Niederbremer: „...bis 1976 als Produktionsingenieur bei der Siemens AG in Braunschweig tätig. ... Ab 1984 als Technischer Angestellter bei der Siemens AG in Bremen.“ Kein Wunder, daß sich Niederbremer so vehement für das Siemens-Verfahren eingesetzt habe.

Das ging Tine Wischer von der SPD zu weit: „Wenn das die neue politische Kultur ist, dann gute Nacht.“ Und Heinrich Welke von der FDP vermied vorsichtshalber das ganze Thema Siemens und Niederbremer. Niederbremer selbst war tief beleidigt: Er habe sich nie direkt für Siemens ausgesprochen, sondern immer nur darauf gepocht, daß mehrere Verfahren untersucht würden.

Umweltsenator Fücks ging gar nicht erst auf den neuen Konfliktein. Seine nachdenkliche Rede über die Grausamkeiten im Umgang mit Politikern endete allerdings mitten im politischen Getümmel: „Mit aller Kraft“ wolle er sich dagegen stemmen, daß die RABA-Planung wieder aufgerollt würde. Wie hart gekämpft wird, das zeigte ein Fax mit dem Datum vom Dienstag, das irgendwer am Bürgerschaftskopierer liegengelassen hatte und das in die Hände Niederbremers geraten war. In Vorbereitung der Debatte hatte sich jemand fachliche Auskunft über das Siemens-Verfahren besorgt. Das Fax war die Antwort. Absender: Uwe Lahl.

Jochen Grabler