Polizei war bei „Dagobert“, ohne es zu wissen

■ Durchsuchung bei Erpresser im Februar nach Anzeige wegen Sachbeschädigung / CDU will Honorare an „Dagobert“ verhindern / Prozeßbeginn noch unklar

Die Berliner Polizei war zwei Monate vor der Ergreifung des Kaufhaus-Erpressers Arno Funke bereits einmal in dessen Wohnung in Tempelhof, ohne zu wissen, daß es sich bei ihm um den berüchtigten „Dagobert“ handelt. Wie Justizsprecher Frank Thiel gestern zur taz sagte, durchsuchte die Polizei am 22. Februar aufgrund der Anzeige einer Person „offenbar aus dem entfernten Verwandten- oder Bekanntenkreis“ Funkes Wohnung. Grund: Verdacht der Sachbeschädigung eines Autos.

Weil jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür gefunden wurden, daß Funke das Auto demolierte, und für die ermittelnden Beamten kein Verdacht bestand, daß es sich um „Dagobert“ handeln könnte, zogen sie unverrichteter Dinge ab.

Jetzt ist die Staatsanwaltschaft jedoch zumindest davon überzeugt, daß Arno Funke den Anschlag auf die Karstadt-Filiale am Hermannplatz im Dezember verübt hat, so Thiel, da er „detailgetreues Täterwissen“ offenbart hat. Wann mit einem Prozeß gegen Funke zu rechnen ist, konnte der Justizsprecher gestern noch nicht sagen. Die Akten seien noch nicht in Berlin.

Dem mutmaßlichen Erpresser sind nach Angaben von Anwälten inzwischen Beträge in Millionenhöhe für die Vermarktung seiner Taten in Form von Büchern und Filmen angeboten worden. Die Lockangebote an die Täter seien eine „Perversion jeglicher ethischer Wertvorstellungen“, so der justizpolitische Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, Andreas Gram. Es dürfe nicht sein, daß jemand „erst spektakuläre Verbrechen begeht, dann ein paar Jahre Knast“ absitzt und zuletzt durch den Verkauf von Filmrechten ein Millionär werde. Sonst würden so spektakuläre Fälle wie „Dagobert“ die Nachahmungstäter anziehen wie „Motten das Licht“.

Gram kündigte an, daß seine Partei die rechtliche Zulässigkeit von solchen Honoraren prüfen werde. Gegebenenfalls werde die CDU eine parlamentarische Initiative ergreifen. Alle Gewinne, die aus der Vermarktung von Kriminalfällen erzielt werden, sollten der Wiedergutmachung dienen oder gemeinnützigen Zwecken zugeführt werden.

Funkes Anwalt, Wolfgang Ziegler, rechnet mit einem Prozeß gegen „Ende des Jahres“. Derzeit liefen keine weiteren Vernehmungen. Funke überlege, ob er weitere Angaben bei der Staatsanwaltschaft machen oder schweigen wolle. Laut Ziegler, der unter anderem auch den ehemaligen Staatsratsvorsitzenden der DDR, Erich Honecker, verteidigt hatte, wird Funke von der Staatsanwaltschaft in den Ermittlungen Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und Erpressung vorgeworfen. In der Untersuchungshaft im Gefängnis in Moabit werde sein Mandant derzeit „wie ein normaler Häftling“ behandelt.

Unterdessen sagte der Leiter der Polizei-Sonderkommission „Dagobert“, Ulrich Tille, daß es keine Hinweise darauf gebe, daß „Dagobert“ Komplizen hatte. Die Beamten beteiligten sich nicht an derartigen Spekulationen. wahn/dpa