Lust und Frust beim Profitennis

■ Kaum angekommen, war Andrej Medwedew in München schon wieder arbeitslos

München (taz) – 48 Stunden zuvor noch himmelhochjauchzend, dann der Katerjammer. Alltag im Profitennis, Glücksgefühle werden dem Wochenrhythmus der ATP- Tour geopfert. Manchmal helfen Turnierorganisatoren der speziellen Sorte dabei noch kräftig nach. So mußte Andrej Medwedew, Sonntagabend strahlender Sieger von Monte Carlo und Achter der Weltrangliste, bei der 79. Auflage der Internationalen Bayerischen Meisterschaften in München bereits am Dienstagmittag wieder auf den Platz. Prompt verlor der 19jährige Turnierfavorit sein Auftaktmatch gegen den Südafrikaner Marcus Ondruska (Weltranglistenplatz: 113). Für Lokalmatador Michael Stich, eng verbandelt mit dem Münchner Turnierdirektor Niki Pilic, erhöhen sich somit die Chancen auf den Turniersieg.

Medwedew war mit Recht aufgebracht: „Die Veranstalter wußten, daß ich erst am Montagabend in München sein konnte. Es ist unfair, daß sie mich dann am nächsten Tag gleich als erstes Match ansetzen. Erschwerend kam für den Ukrainer hinzu, daß es bis zum Spielbeginn regnete. Medwedew: „Meine gesamte Vorbereitung auf die speziellen Verhältnisse in München bestand aus fünf Minuten Einschlagen vor dem Match.“

Andrej Medwedew wird dieses Negativerlebnis – ein kleines Tief nach einem kräftigen Hoch – sicherlich gut wegstecken. Andere haben da viel mehr zu verdauen. So der Spanier Emilio Sanchez. Bis vor kurzem noch einer der Sandplatzkönige, kassierte er im „Englischen Garten“ die vierte Erstrundenniederlage in Folge auf seinem bevorzugten Belag.

Auch bei Carl-Uwe Steeb geht seit Mitte Februar nichts mehr. „Drei Tage werde ich wohl brauchen, dann kommt die Lust zum Training wieder“, machte er sich nach dem Münchner Flop gegen Bernd Karbacher Mut. Training, nichts als Training und dann immer montags in der ersten Runde raus, macht selbst den härtesten Profi mürbe. Steeb, in der Weltrangliste auf Platz 98 abgerutscht, lebt momentan noch von seinem guten Namen und profitiert im eigenen Land von „wildcards“ der Veranstalter, die ihm Qualifikationsqualen vorerst ersparen.

Der Frust des einen flößt dem anderen wieder etwas Selbstvertrauen ein. Für Bernd Karbacher, 1992 kometenhaft nach oben geschossen, die „zentrale Kategorie im Tennis“. Nach sechs Erstrundenniederlagen und ganzen 45 gewonnenen Ranglistenpunkten in diesem Jahr klammert sich auch der 26jährige Münchner an jeden kleinen Strohhalm. Doch der Druck wird immer größer. Nächste Woche muß Karbacher 200 Punkte beim Turnier in Hamburg verteidigen. Gelingt das nicht, fliegt er aus den Top 100 heraus.

Wenn einem Steeb oder Karbacher im rauhen Geschäft die Gelassenheit schon mal abhanden kommt, kultiviert Karsten Braasch, ob Sieg oder Niederlage, seine gute Laune. Warum auch nicht? In seinem achten Profijahr ist der 26jährige Westfale endlich unter die ersten 50 der Branche vorgestoßen. Nach seinem klaren Zweisatzsieg über Emilio Sanchez hat er 1994 bereits die 100.000 Dollar-Preisgeldgrenze übertroffen. Da wird das Pils noch besser schmecken. Karl-Wilhelm Götte