■ Auf dem Weltmarkt werden Staat und Konzerne eins: Skrupellose Exporteure
„Was für General Motors gut ist, kann auch für Amerika nicht schlecht sein.“ Mit dieser sehr direkten Empfehlung führte sich in den fünfziger Jahren ein Vorstandsvorsitzender des Autokonzerns in die amerikanische Politik ein. Er wollte gern Minister werden.
Damals bezog sich die Logik solcher Industriellen auf die Wirtschafts- und Sozialpolitik ihrer Industrieländer. Die Konzerne forderten, die Innenpolitik ihren wirtschaftlichen Interessen gemäß zu gestalten. Zwingend war dies nicht, solange die Spielräume nationaler Wirtschaftspolitik Alternativen zuließen. Die keynesianische Politik vieler sozialdemokratischer Regierungen war eine solche Alternative.
In den neuen Zeiten des Weltmarktes und der globalen Ökonomie bekommt der Zusammenhang zwischen dem Wohlergehen der strukturbeherrschenden Konzerne (global player) und der nationalen Ökonomie eine neue Wendung. Staaten wie die Bundesrepublik, die ihr wirtschaftliches Wohlergehen maßgeblich an die Exportwirtschaft koppeln, müssen deren Wohlergehen mehr denn je im Auge behalten. Wird diese Industrie nicht mit Steuergeldern und guten Worten gehätschelt und gepflegt, nicht in der Konkurrenz mit den Konzernen anderer Staaten an der Spitze gehalten, verliert die ganze Gesellschaft, versinkt die nationale Ökonomie in der Krise.
Die Ziele dieser Konzerne werden so zu quasi- staatlichen Zielen überhöht, ihre Erreichung vornehmste Aufgabe nationaler Wirtschaftspolitiker. Helmut Kohl, François Mitterrand und John Mayor arbeiten als Drückerkolonne ihrer Großkonzerne. Sie reisen um die Welt als Türöffner für die Konzernherren – und wehe, sie versagen beim Händeschütteln oder Tennisspielen. In ihrer Logik ist das vernünftig. Wenn die Spielräume nationaler Wirtschaftspolitik immer kleiner werden und die Stellung auf dem Weltmarkt zum wichtigsten Kriterium für die Zukunftsfähigkeit einer Volkswirtschaft wird, bleibt ihnen zumindest vordergründig keine Alternative.
Andere als betriebswirtschaftliche Kalküle verlieren so jede Bedeutung für die Wirtschaftspolitik. Moral ist auf diesem Weltmarkt keine Kategorie. Ein internationales Regime, das dem Markt moralische, ökologische oder sonst irgendwelche Zügel anlegt, gibt es auch nach der neuen Gatt-Runde noch kaum.
Strategische Vorteile haben im Löwenkäfig Weltmarkt neben den Konzernen selbst vor allem die wichtigsten Kunden. Taiwan ist ein solch wichtiger Kunde. Denn die deutsche Industrie will um fast jeden Preis ihr Bahnsystem ICE international verkaufen, am besten im boomenden Südostasien. Und wenn der Kunde Taiwan ein paar Kriegswaffen als Dreingabe verlangt, ist die Versuchung groß, die Dreingabe zu gewähren – damit er die Bahn nur nimmt. Frei nach dem amerikanischen Verkäuferslogan: Buy a car, get a maschine gun free.
Mit Moral hat das alles nichts zu tun, mit einer neuen Vorliebe deutscher Wirtschaftspolitik für die Rüstungsindustrie aber auch nicht. Dem Waffendeal mit Taiwan steht in Bonn eigentlich nur die Befürchtung entgegen, daß das noch größere Geschäft mit der Volksrepublik China leiden könnte. Hermann-Josef Tenhagen
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