Durchmarsch der Sozis im U-Ausschuß zu Stolpe

■ Die Ausschußmehrheit kickt die Gauck-Gutachten aus dem Abschlußbericht

Potsdam (taz) – Den Begriff „Arbeitsgruppe Heiligenschein- Reparatur“ hört der Zeuge Rainer Sonntag gar nicht gerne. Vor dem Untersuchungsausschuß des Brandenburger Landtages wehrt sich der Kabinettsreferent aus der Staatskanzlei des Ministerpräsidenten Manfred Stolpe: Das würde sich ja „anhören, als ob da eine konspirative Gruppe im Hintergrund tätig ist“. Eine böse Unterstellung also – sie ist aber am Dienstag abend nach der Vernehmung des 39jährigen Verwaltungsbeamten Sonntag und seines Staatskanzlei-Kollegen Axel Hoerschelmann nicht so recht aus der Welt geschafft.

In der letzten öffentlichen Beweisaufnahme des Ausschusses geht es noch einmal um das Datum 21. November 1978, jenen Tag, an dem der Kirchenjurist Stolpe im konspirativen Stasi-Objekt „Wendenschloß“ seine Verdienstmedaille der DDR aus den Händen der Staatssicherheit erhalten haben soll. Stolpe hat dies stets bestritten, und seine frühere Stellvertreterin Christa Leweck hat ihm ein Alibi für diesen Tag geliefert. Nach einem Blick in ihren alten Terminkalender schloß Christa Leweck in einer eidesstattlichen Erklärung und in ihrer Aussage vor dem Ausschuß am 22. März aus, daß ihr ehemaliger Vorgesetzter den in Stasi-Unterlagen verzeichneten Termin mit den Abgesandten aus Mielkes Ministerium wahrgenommen haben könnte.

Die Beweisaufnahme am Dienstag, die die Rolle der Staatskanzlei beim Zustandekommen der eidesstattlichen Erklärung aufhellen sollte, ergab: Es war der Kabinettsreferent Sonntag, der Christa Leweck telefonisch fragte, ob sie eine solche Erklärung abgeben könne. Beim Notar, der in Berlin die Erklärung entgegennahm, war dann Referatsleiter Hoerschelmann auf Bitten Sonntags anwesend. Hoerschelmann war es auch, der die Erklärung dem Büroleiter Stolpes faxte, um sie sofort an den Ausschuß in Potsdam zu überbringen. Referent Sonntag erklärt weiter, die Zeugin Leweck, eine gute Bekannte, bei ihrer persönlichen Erklärung für den Ausschuß „beraten“ zu haben. Diese Erklärung, stellte sich später heraus, wurde auf einem Computer in der Staatskanzlei geschrieben. Manfred Stolpe war nach den Aussagen seiner Mitarbeiter über die Vorgänge nicht unterrichtet. Er soll nur gewußt haben, daß Frau Leweck telefonisch kontaktiert werden sollte.

Den Aussagen der Stolpe-Mitarbeiter folgt am Abend in geheimer Sitzung der Durchmarsch der Ausschußmehrheit. Beschlossen wird nicht nur, in der heute stattfindenden Sitzung den Abschlußbericht zu verabschieden – beschlossen wird auch, die drei Gutachten der Gauck-Behörde, die im Auftrag des Ausschusses über die Stasi-Kontakte des Landesvaters angefertigt wurden, beim Endbericht zu vernachlässigen. Zur Begründung führt SPD-Ausschüßler Reinhart Zarneckow an, dort würde nur „Stasi-Wissen wiedergegeben“. Bündnis-Vertreter Günter Nooke spricht von einem „Skandal“. Der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen hatte den Schluß gezogen, daß Stolpe „nach Maßstäben des MfS über einen Zeitraum von ca. 20 Jahren ein wichtiger IM im Bereich der Evangelischen Kirchen der DDR war“. Wolfgang Gast