Moskauer Mafiakämpfe

■ Rußlands Staatsduma fordert die Entlassung von Innenminister Jerin

Moskau (taz) – Der Kampf um die Moskauer Kommandozentrale der Unterwelt hält an. Am Dienstag wurde der 35jährige Direktor der Bank „MDK“, Andrej Asderdsis, vor seinem Haus im Moskauer Vorort Chimki erschossen. Alles spricht dafür, daß es sich dabei um ein gezieltes Attentat handelte, das auf das Konto der Mafia geht. Asderdsis hatte in der vergangenen Woche in einer Zeitung 266 Namen von führenden Mafiosi in der Hauptstadt veröffentlicht. Die Staatsduma befaßte sich gestern sofort mit dem Fall. Denn Asderdsis gehörte im Parlament der Gruppe „Neue regionale Politik“ an. Sogar Präsident Jelzin schaltete sich postwendend ein. Der Mord sei nicht nur ein Anschlag auf menschliches Leben, sondern ein Akt gegen die Staatsgewalt.

Unterdessen nutzten Vertreter einzelner Fraktionen den Direktorenmord, um zumindest politisches Kapital daraus zu schlagen. Nach einer mehrstündigen Debatte stimmten 239 Abgeordnete für die Entlassung von Innenminister Jerin, in dessen Aufgabenbereich der „Kampf gegen die Mafia“ fällt. Lediglich elf Abgeordnete, aber auch Ministerpräsident Tschernomyrdin sprachen sich gegen eine Amtsenthebung aus. Erneut kritisiert wurde zugleich die für heute mittag vorgesehene Unterzeichnung eines „Bürgerpaktes“. Der Vertrag soll die innenpolitischen Gegenspieler für die Dauer von zwei Jahren zu einem zivilisierten Umgang miteinander verpflichten. Die Kommunisten und der Vorsitzende der Fraktion „Jabloko“, Jawlinski, lehnten in ihren Reden die Unterzeichnung ab. Nationalistenchef Schirinowski verlangte die Verschiebung der Unterzeichnung und forderte wie üblich den Rücktritt der Regierung.

1993 waren 13 führende Banker von der Mafia umgelegt worden, seit Anfang des Jahres hat sie an die 50 interne Abrechnungen erledigt. Zweimal entging der Politiker und ehemalige Vorsitzende der Warenbörse, Konstantin Borowoi, einem Attentatsversuch. khd