Auf Irrwegen zum Klang

■ „Erratum Musical“: Eine Ausstellung an den Rändern von Klang, Wort und Bild / Ab heute zu sehen und zu hören im Bremer Institut Francais

Wie aber klingt es, wenn man mal den ganzen Kram einfach abschaltet, das Küchenradiogedudel, das TV-Gerausche, die Schlagbohrerschläge und auch das Mikrowellengebläse. Und stattdessen ein Päckchen Zündhölzer zur Hand nimmt, ein Hölzchen nach dem anderen anreibend und abbrennend. Aus diesem Klang & Rhythmus komponierte Takako Saito ein ganzes, kleines Konzert: das „Safety Concert“. In seiner schönen Schachtelform ist es jetzt Bestandteil einer Ausstellung, die die Grenzbereiche zwischen Klang, Wort und Bild darstellt: „Erratum Musical“. Die kleine Schau umfaßt Klangobjekte, Plakate, Plattencover, Notenblätter und natürlich Aufnahmen von 80 Künstlern und Künstlerinnen. Ab heute sind die Preziosen im Bremer Institut Francais zu sehen und hören.

Diese Sorte Raritäten sammelt seit etwa 20 Jahren Guy Schraenen, der die Schau auch gemeinsam mit dem Institut zusammenstellte. Inzwischen nennt sich sein Unternehmen „Archive for Small Press & Communication“. Darin findet sich vor allem wieder, was bildende Künstler auf ihren Ausflügen in die Musik produziert haben: Freejazz von A.R. Penck, Schlager mit Joseph Beuys, perkussive Schlachtengemälde vom Actionpainter Karel Appel: „Musique Barbare“. So, wie die visuelle Poesie das Blatt vom Wort befreit, sagt Schraenen, „hat die Klangkunst dazu beigetragen, die Musik aus dem Notensystem, aus dem geschlossenen und oftmals erstarrten Universum der Musik zu befreien“.

Das ist nun keine ganz brandneue Entwicklung. Ein großer Teil aus Schraenens Schatzkästlein entstammt der klassischen Moderne. Besonders die Ausbrüche der Dada-Künstler haben ihre Spuren im Schallarchiv hinterlassen. Das älteste Dokument stammt aus dem Jahre 1897, die Partitur von Alphonse Allais' „Marche Funebre“: ein „Trauermarsch für einen großen tauben Mann“ – das Notenblatt ist leer, gespielt wird das Stück „lento rigolando“.

Damit ist natürlich reichlich Freiraum geschaffen für die Klangexperimente der Folgezeit. Vor allem die musikalische weniger vorbelasteten Künstler nutzen das frisch und frei aus, und testen z.B. auch die Grenzen der Tontechnik. Als die ersten Bandgeräte für den Hausgebrauch aufkommen, da reizt Jean Dubuffet deren Aufnahmekapazität über die Maßen aus. Spur um Spur wird vollgedröhnt, bis es am Ende so klingt, als stolpere ein komplettes Orchester über seine Instrumente. Diese Form intuitiver Entladung kennzeichnet viele der Künstlerbeiträge. Aber mit der Entwicklung immer ausgereifterer Verfahren schlägt mancher wieder die umgekehrte Richtung ein.. Als einen der beständigsten Klangarbeiter in der Kunst stellt die Schau Rolf Julius vor: Dessen minimales, unterschwelliges Gezirpe hat sich fast aller festen Form entledigt; übrig bleiben nur noch die nackten Membranen, aus denen es in die Stille klingt. Thomas Wolff

Bis 3.6. im Institut Francais, Contrescarpe 19