Über den Wichten

■ Urban Species, die Angenehmen, live

Weich rollt das, was da urbanen Ursprungs genannt wird, weich, verführerisch, geschmackvoll am Abgrund des Geschmäcklerischen, für das man das Stamm-Label der Urban Species, Talkin' Loud, schon einige Male gehaßt hat. Aber nun gelingt mit Listen, der Debut-LP der Urbanen Engländer, ungeachtet all dessen, was seit der ersten Galliano-LP an Angenehmem und Seichtem die Cocktail- und Szene-Clubs nicht nur dieser Stadt beschallt, wieder ein verbindlicher Moment, eine Stimmigkeit auf freundlich-emotionaler Seite, da, wo fremde Models sich anzeigengroß die Hand geben. Genau in jenes Werbungs-Bild, wo die plakative Aufhebung des Rassismus auf schöne, junge, möglichst auch noch kreative Farbige begrenzt ist, fällt unschuldigerweise auch Peter „Mint“ Akinrinola, genau jener lebensfrohe Rasta-Typus, um den sich die „Come-together-Industrie“ schlägt. Und auch die Musik paßt in eine Welt ohne Schattenseiten: smooth, entspannt , himmlische Chöre, organisch-soulige Tanzmusik mit weich-betörendem Rap.

Die Texte dazu: poetisch, kritisch, aufgeweckt, von jener systemimmanenten Kritik, die jede herrschende Klasse als Pro-Forma-Opposition heimlich beklatscht. Aber stop jetzt, dieser Maßstab ist bei den Urban Species einfach ungerecht. Diese Platte, auf die die stattliche Clubsoul-Familie schon seit drei kollektiv gefeierten Singles wartet, ist ein wunderschönes Stück Positivismus. „Ich male Bilder aus Worten“, sagt Mint, „und sie sind optimistisch, weil es im Leben keine Alternative dazu gibt“. Dementsprechend löst sich der leichte Widerspruch ihrer Inhalte und Ästhetik zur Vorstellung von Urbanität in der großen multikulturell-friedlichen Ursuppe in Wohlgefallen auf. Soviel Menschenliebe und Toleranz macht auch nicht vor dem umgebenden Sexismus und anderen pervertierten Auswüchsen im HipHop (natürlich nicht nur dort) halt. „Du mußt dich auf eine höhere Stufe bringen“, rät Mint, „und sie mit ihrer mickrigen Existenz alleine lassen“. Alle Liberalen und auch jene, die einfach beste Live-Bewegungsmusik erfahren wollen, bewegen sich alsdenn tunlichst zum Konzert. Denn für einen Abend lang wird tatsächlich alles gut sein.

Holger in't Veld/Foto: JMS

11.5., Große Freiheit, 23 Uhr