■ Rosi Roland
: Der 1. Mai ist abgeschafft

Der 1. Mai! Was waren das noch für Zeiten, als sich die bremische Arbeiterklasse im DKP-Maizelt traf! Die Bürgerweide war gerade groß genug, tausende kamen, und am Vorabend beim „Tanz in den Mai“ war es so voll, versichern regelmäßige Genießer, daß auch Betrunkene aufrecht gehalten wurden. Gemeinsam waren sie stark. Da mußten sich Bremens Betriebsräte sehen lassen, auch wenn sie das SPD-Parteibuch in der Tasche hatten, ein Peter Sörgel von Klöckner war selbstverständlich da, und wo alle sind, da ist natürlich auch unser Doppelagent Willi Lemke. Und wo alle sind, da muß auch die Presse hin. Der DGB sah, wenn er ein Maizelt organisieren wollte, dagegen immer kläglich aus. Auch die SPD versuchte sich einmal auf dem Domshof, siebzehn Minuten Wedemeier, das bringt auch keinen durchschlagenden Erfolg. Nicht einmal ein Zehntel des Besucherstromes der DKP konnte die SPD in Bremen auf sich ziehen. Auch wenn die DKP sonst nicht existierte, am 1. Mai regierte sie.

Das sind bekanntlich längst versunkene Zeiten. Versuche von Konzertveranstaltern, Breminale oder anderen Amateuren, die Tradition aufrechtzuerhalten, sind gescheitert. So ist heute die Bürgerweide maifrei. Die SPD hat dadurch in ihr Zelt des Ortsvereins Peterswerder kaum Zulauf erhalten, die unsterblichen Reste der DKP haben sich nach Oslebshausen hinter die drei Meilen-Zone zurückgezogen. Und der DGB hat den alternativen Zeltplatz am Cafe Sand entdeckt. Der „Aufmarschplan“ für die Demonstration am 1. Mai teilt die Querstraßen des Studienrats-Viertels den verschiedenen Industriegewerkschaften zu, als erwarte er viele Leute aus den umliegenden Wohngemeinschaften. Die Botschaft dieses Szenarios ist eindeutig: Mit der DKP hat das Proletariat abgedankt. Kennen Sie das Fuffzig-Pfennig-Klo am Osterdeich, das gebaut wurde, damit die Junkies in Ruhe drücken können? Genau da beginnt die DGB-Demo.

Wohin soll man gehen? Zum Weserpark, zu Becks (gibt es da wenigstens Freibier??), in die Lloyd-Passage?

Was, um Gottes Willen, sollen die armen Journalisten angesichts dieser unübersichtlichen Lage tun? Kreuz und quer durch die Stadt jagen, um die vielen kleinen Mai-Feiern zu würdigen und, falls irgendwo doch was los sein sollte, dabei gewesen zu sein? Die Journalisten tun etwas anderes: sie machen ihr eigenes Maifest (auf den Höfen). Das bedeutet: In den Medien finden die Feiern vom Vorabend des 1. Mai nicht mehr statt. Der 1. Mai ist abgeschafft. Rosi Roland