■ Nachgefragt: 'Mieses Betriebsklima' beschissen
Auszug aus einem taz-Interview vom 25.3.1985 zum einjährigen Jubiläum mit zwei AN-Arbeitern.
taz: Wie hat sich die Selbstorganisation auf das Betriebsklima ausgewirkt?
Harald Roth: Aus meiner Sicht gesehen hat sich vieles verschlechtert. Das Betriebsklima ist auf gut Deutsch beschissen. Jeder guckt jedem auf die Finger und macht auch dementsprechend fast jeden an. Daß ich mal jemandem vorwerfe, daß er zu langsam und faul ist, das hätte ich mir nicht träumen lassen.
Diskutiert ihr sowas auf der Betriebsversammlung?
Ulli Schober: Einmal in der Woche machen wir Betriebsversammlung, und da kommt vieles auf den Tisch, meiner Meinung nach müßte es aber noch viel mehr sein. Das Problem ist, daß wir nicht kritikfähig sind, daß wir nicht sagen können, ich habe da letztens wieder gesehen, daß da einer durch die Halle lief, dem konntest Du im Gehen die Schuhe besohlen. Das Problem liegt darin, daß die Leute zig Jahre zusammenarbeiten und einfach nicht sagen würden, komm Du warst zwei Stunden auf'm Pott, Du bist früher abgehauen.
Beschäftigt Ihr Euch auch mit den Produkten, für die Ihr arbeitet?
Harald Roth: Vielleicht ist das etwas überspitzt, aber der Maschinenarbeiter unten in der Halle, da gehör' ich ja auch dazu, der hat nicht immer Lust dann irgendwelche Themen zu erörtern und groß darüber zu reden, was dann eventuell über drei, vier Stunden geht.
So richtig ernsthaft interessiert sind nur ein paar Leute, die sich auch Gedanken machen, die sich die Sachen mit nach Hause nehmen und durchlesen und und und...
Fragen: Dirk Asendorpf
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