Jacobs und Vulkan: Fire the Bayer

■ Armer Süden demonstrierte beim reichen Norden / Bremer Konzerne machen Filialen dicht

Verkehrte Welt der Arbeit: Der arme Norden bekam gestern Protestbesuch aus dem reichen Süden, und plötzlich standen sich die reichen Onkels von der Küste und die süddeutschen Armenhäusler gegenüber. Gut 400 KäseschmelzerInnen der bayerischen Kraft-Filialen im Schwabmünchen und Reichertshausen waren mit Bussen zur Bremer Konzernzentrale von Kraft-Jacobs-Suchard gereist, um ihren geharnischten Protest loszuwerden. Der Grund: Beide Käseeckenwerke sollen eingeschmolzen werden, um wenigstens die größte Kraft-Käserei in Fallingbostel auszulasten. Für die Bayern heißt das: In einer ohnehin strukturschwachen Region sind auf einen Schlag 430 Arbeitsplätze futsch. Und die Betriebsräte schimpften auf die „Kaffeebarone von der Küste“: „Die interessiert nur Plattmachen“, sagte Herbert Grimberg von der Gewerkschaft Nahrung–Genuß–Gaststäten.

Eiskalt abgebügelt wurden auch die Angestellten der „Guehrling-Automation GmbH“, einer Tochter der Vulkan Industrie-Holding. Etwa 80 der insgesamt noch 110 Beschäftigten waren aus dem 1200-Seelen Ort Fronstetten bei Stuttgart zu Vulkan-Chef Friedrich Hannemann ins World-Trade-Center gereist, um für ihre Arbeitsplätze zu kämpfen. Der Vulkan war in die Firma, die Präzisionsschleifmaschinen herstellt und vor allem den russischen Markt belieferte, vor zwei Jahren mit 50 Prozent eingestiegen. Der russische Markt brach weg, die Firma macht nach Angaben des Vulkan monatlich einen Verlust von einer Million. „Mittelfristig“, also bis zum Ende des Jahres, soll das Werk nun stillgelegt werden.

Für die Belegschaft, die wütend vor verschlossenen Türen wartete, ein klarer Fall: „Vulkan war nie an der Fortführung unseres Werkes interessiert, sondern nur an Technik und Know-How. Die bauen die Maschinen bei uns ab und schicken sie nach Neu-Ulm. Auch die Fachkräfte sollen da mitgehen. Bei uns hängt die ganze Region an den Arbeitsplätzen bei Guehrling.“

Schwere Managementfehler dagegen warfen die Genußmittelgewerkschaftler der Kraft-Jacobs-Suchard-Konzernspitze vor. Die beiden Käsefabriken in Bayern sollten dichtgemacht werden, nur um Planungsfehler im größten Kraft-Lebensmittelwerk in Fallingbostel zu vertuschen. Im letzten Herbst habe der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder stolz einen Investitionskostenzuschuß für den Lebensmittelkonzern in Höhe von fünf Millionen Mark bekanntgegeben. Die bayerischen Betriebsräte: Was in Niedersachsen aufgebaut wird, machen die bei uns dicht.

Falsch, kontert der KJS-Sprecher Rolf Sauerbier. Sowohl in Schwabmünchen als auch in Fallingbostel werde vor allem für den Export nach England und Italien produziert. Und dort seien die Märkte zusammengebrochen, weil die Lira und das britische Pfund um 20 Prozent abgewertet worden seien. Sauerbier: „Das kann das beste Management nicht verhindern. Und daß dann die Kapazitäten des kleineren Werkes in das größere integriert werden, „das ist doch wohl normal“. Investitionen zum weiteren Ausbau des Standortes Fallingbostel gebe es nicht. Und einem Konzern vorzuwerfen, er nutze die Möglichkeiten zum Einsparen, wenn er an einem großen Standort günstiger produzieren als an zwei kleinen, das, so Sauerbier, sei vollkomen neben der Realität: „Wer Synergieeffekte nicht nutzt, der wird irgendwann bestraft.“

bpo / J.G.