Die Spuren im Sand

■ Rothenbaum: In einem ziemlich spannenden Endspiel verliert Steffi Graf gegen Arantxa Sanchez-Vicario Von Claudia Thomsen und Nina Westphal

Jane Tabour hatte gestern abend eine besonders gründliche Fußwäsche nötig. Denn in die dunkelblauen Slipper der blonden Engländerin ist während des Finales am Rothenbaum zwischen Arantxa Sanchez -Vicario und Stefanie Graf ein Haufen jenes Sandes geraten, der den Court erst tennistauglich macht.

„So oft wie nie zuvor in einem Match“, mußte die Schiedsrichterin die fünf Stufen ihres Referee-Chairs rauf- und wieder runterklettern. Der Grund: die beiden Finalistinnen echaufferten sich eben so häufig wie heftig über angebliche Fehlentscheidungen. Besonders Stefanie Graf, die selbst während des Spiels mit einer Reizung der Bindehaut zu kämpfen hatte und im ersten Satz Augentropfen verabreicht bekam, glaubte Tomaten auf den Augen der Unparteiischen gesichtet zu haben. In ihrem Falle zu unrecht. Frau Tabour revidierte nach etlichen Kletteraktionen und persönlicher Begutachtung der Spuren im Sand zwei Entscheidungen zugunsten der Grafschen Gegnerin. Die Spanierin schien das Match in der Mitte des eineinhalb-stündigen zweiten Satzes, der wohl unweigerlich als überaus dramatisch in die Annalen eingehen wird, bereits vergeigt zu haben. Steffi, die Unfehlbare, führte trotz Tränaugen bereits mit 6:3 und 3:0. Ein Zuschauer forderte besorgt sein Recht auf spannende Unterhaltung und die fixe Brühlerin zur Mäßigung auf: „Mach nicht so schnell, Steffi“, hallte es über die zu zwei Dritteln gefüllten Schalensitze. Arantxa, die Energetische, verwandelte den 13ten Vorteil im vierten Spiel zu ihren Gunsten und wehrte sich erfolgreich.

„Sieg“, schrie sie nach dem errungenen Strohhalm und reckte ihren kurzen Arm in die Höhe. Das Spiel wurde jetzt richtig gut. Hier die Grafschen Volleys und Passierbälle, dort die geslicten und gelobbten Konter ihrer Gegnerin. Der zweite Satz ging nach dem Tie Break an die mittlerweile sehr erwärmte Spanierin und das schien noch nicht alles gewesen zu sein. Sollte die Gräfin nach dem dritten Satz in diesem Jahr gar das erste Match verlieren? Beunruhigt war sie bereits: „Scheiße“, schmetterte sie ihren Frust auf den Boden. Hätte sie diesen doch nur an den gelben Filzbällen entladen. Auch die Frau aus Barcelona kompletierte ihre Vorstellung mit Show-Einlagen - ein Biß in den Ball, Grimassen, Schleudern und Fangen des Schlägers - was der Aggressivität ihres Spiels jedoch keinen Abbruch tat.

Nach drei Stunden und drei Minuten verwandelte sie ihren vierten Matchball im Tie Break und gewann den Hambuger Cup - wie im Vorjahr. Stefanie Graf, die die Siegerin gestern noch „wegen der Herausforderung“, als ihre Wunschgegnerin bezeichnete, gab nach dem Spiel an, vorerst „keine Gefühle mehr zu haben“. Frau Tabour hatte über die Länge des Spiels ihr Flugzeug nach Rom verpaßt. So ist das Leben