■ Soundcheck: Nick Cave & The Bad Seeds / Fugees, Das EFX und das Rödelheim Hartreim Projekt
Heute und morgen abend: Nick Cave & The Bad Seeds. Im Teilchenbeschleuniger der Popmusik ist Nick Cave bislang weder aufgeschlagen noch abgefallen. Obwohl er inzwischen seine neunte Platte mit den Bad Seeds veröffentlicht hat, scheint seine Artikulationswut und sein beschränktes kompositorisches Repertoire noch immer nicht ausgeschöpft. Denn die Kombinationen von Moll-Dur-Wechseln und symbolistischen Liebesschwüren funktioniert auch auf Let Love In mit berauschender Einfachheit. Wie Bob Dylan, nur auf der anderen Seite der Skala der Heiligkeit, genügt Nick Cave ein schlichtes musikalisches Beet, um seine Phantasien zu züchten und so den hohen Wert einer Persönlichkeit zu erlangen, die sich durch ihre Kunst transportiert. Doch wozu viele Worte walzen, genügt nicht eine Frage: „Do You Love Him?“ tlb
Docks, jeweils um 21 Uhr.
Heute abend: Fugees, Das EFX und das Rödelheim Hartreim Projekt. In den Medien wurden die Fugees als Ghettohochkultur gefeiert, ihnen wurde die mosaische Aufgabe aufgebürdet, Hip Hop aus seiner selbstreferentiellen Stagnation zu befreien. Dabei sind die drei Flüchtlinge (Refugees) in keiner der bekannten Possees geerdet, die in einer Art Vetternwirtschaft ihre Mitglieder vollmundig protegieren. Außerdem klingen die Fugees auf ihrem Debut-Album Blunted on Reality keineswegs wie Rap-Pioniere auf der Suche nach unberührten Musiklandschaften; vielmehr dekonstruieren sie die Standards und nähen sie zu einem dichten, widersprüchlichen Flickenteppich zusammen. So wird der mannesstolze Groove des Gangster-Rap von einer Rapperin unterlaufen, die der genretypischen Gleichsetzung von Frauen als Huren wortgewandt entgegentritt. Ihre Reime zur Folk-Gitarre wenden sich mit Abscheu von der Lagerfeuer-Romantik der Kollegen ab. Mühelos übersetzt das Trio mit gängigen Tonfällen das Fremde in eine ureigene Welt mit Ornamenten aus Raggamuffin, Daisy Age und Hardcore. Da solch bunte Vielfältigkeit gegenwärtig in den USA keinen interessiert, werden sie vermutlich das Schicksal von Das EFX teilen, die seit Jahren ihr Publikum nur in der Hip Hop-Provinz finden. Die Hartreimer aus dem Frankfurter Stadtteil Rödelheim zeigen nur, daß deutscher Hip Hop immer noch nach Themen sucht und sich gerne in Karnevalslaune flüchtet. Volker Marquardt
Markthalle, 21 Uhr.
Außerdem: Die verschrobenen Lied-Schmiede von Beautiful South im CCH 3 um 20 Uhr.
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