Eier auf „Ziege“ Scharping

■ 1. Mai in Hamburg: Gemeinsamer Marsch, getrennte Kundgebungen / Jede Menge Versprechungen mit Blick auf die Wahlen Von Kai von Appen

10.000 Menschen haben gestern auf der traditionellen 1. Mai-Demonstration in Hamburg gegen Arbeitslosigkeit und Sozialabbau sowie für Internationale Solidarität demonstriert. Während der Abschlußkundgebung in Planten un Blomen flogen Eier auf SPD-Gastredner „Ziege“ Rudolf Scharping. Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe zog als Gastredner der DAG nur rund 700 HamburgerInnen an.

Die Demo begann am Mittag in Altona mit den altbekannten Tricksereien zwischen DGB-Ordnern und Internationalisten. Da die Ausländergruppen die Spitze der Marschsäule einnahmen, wollte der DGB zunächst „seine“ Demo umleiten, was aber mißlang, da die Lautsprecherwagen in den Massen feststeckten. Und so zog dann doch ein gemeinsamer Zug Richtung Blumenpark, der Internationale Block - an zweiter Stelle hinter den lokalen SPD- und DGB-Promis - begleitet von BereitschaftspolizistInnen, die in zivile Freizeitbekleidung gesteckt worden waren. Ein als Fernsehteam getarnter Polizei-Videotrupp filmte den Block.

Vor Planten un Blomen dann die Spaltung: Während sich 5000 Menschen des Internationalen Blocks vorm Fernsehturm zu einer eigenen Abschlußkundgebung versammelten, zogen die 5000 DGBlerInnen in den Park. Hintergrund der Spaltung: Obwohl DGB-Bundeschef Hans-Werner Meyer zur Solidarität mit dem Vorsitzenden der kurdischen Ölarbeitergewerkschaft „Petrol Is“, Munir Ceylan, aufgerufen hat, der jüngst wegen seines Engagements vom türkischen Regime zu 20 Monaten Knast verurteilt worden ist, weigerte sich der Hamburger DGB-Kreisverband dem Wunsch des Internationalen Blocks nachzukommen und Ceylan als Redner einzuladen.

Die DGB-Kundgebung entwickelte sich zu einer regelrechten SPD-Wahlkampf-Veranstaltung. Hamburgs DGB-Chef Erhard Pumm: „Diese Regierung hat abgewirtschaftet.“ Von einer SPD-Bundesregierung erwarte er eine Wende in der Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialpolitik.

In seiner Rede – zeitweilig eine Aneinanderreihung von Floskeln – machte SPD-Bundeskanzlerkandidat Scharping dann auch jede Menge Versprechungen: Streichung des Paragraphen 116 Arbeitsförderungsgesetz (kalte Aussperrung), Wiedereinführung des Schlechtwettergeldes, gerechtere Lastenverteilung. Die Arbeitnehmer dürften nicht von der Bundesregierung zu „Last-Eseln“ gemacht werden. Statt Milliarden zur Finanzierung von Arbeitslosigkeit auszugeben, solle lieber Arbeit bezahlt werden. Scharping: „Der Sozialstaat ist nicht der Lazarettwagen hinter der wirtschaftlichen Entwicklung.“

Scharpings Rede wurde mehrfach durch gellende Pfeifkonzerte und Rufe wie „Heuchler“ und „Abschieber“ unterbrochen. Bodygards der „Sicherungsgruppe Bonn“ sorgten mit Regenschirmen dafür, daß Scharpings Anzug keine Eigelbflecke bekam. Uniformierte Polizisten bildeten zudem Sperrketten. Dennoch verlor der Pfälzer mehrfach die Beherrschung und pöbelte: „Die Schwarzgekleideten, die dahinten pfeifen, sind diejenigen, die den Rechtsradikalen den Boden ebnen. Sie nennen sich links und sind nichts anderes als Wegbereiter der rechten Dummköpfe.“