Eine Menge positiver Energien

■ Bosnien war auch dabei beim großen Eurovisions-Wettbewerb

Edo Mulahalilovic (30) hat zusammen mit seinem Bruder Adi (27) den bosnischen Beitrag zum Grand Prix d'Eurovision de la Chanson geschrieben.

taz: Was bedeutet es für Sie, hier teilzunehmen?

Edo Mulahalilovic: Bis vor drei Jahren war uns der Eurovisions- Wettbewerb ziemlich egal, weil wir in Bosnien-Herzegowina und im ehemaligen Jugoslawien eine gut funktionierende Plattenindustrie hatten. Jetzt ist dieser Wettbewerb jedoch eine der wenigen Möglichkeiten zu zeigen, daß auf künstlerischem Gebiet nach wie vor noch etwas passiert in Sarajevo – trotz des Krieges. Für uns ist es bereits ein Sieg, daß wir überhaupt hier in Dublin sind. Es ist das erste Mal seit zwei Jahren, daß wir aus Sarajevo herausgekommen sind. Für uns ist es wichtig, daß wir Teil der Musikwelt sind. Wir wollen zeigen, daß wir gute Popmusiker sind. Adi und ich sind seit fast zehn Jahren im Showgeschäft. Wir hatten eine sehr populäre Band im ehemaligen Jugoslawien und haben insgesamt anderthalb Millionen Langspielplatten verkauft. Der Krieg hat das alles geändert.

Machen Sie neben Schlagermusik auch andere Sachen?

Adi und ich haben sehr viele Lieder geschrieben, wir sind in vielen musikalischen Stilrichtungen zuhause. Das bosnische Fernsehen hat uns gesagt, welche Art von Lied am besten geeignet ist für den Eurovisions-Wettbewerb, und wir haben uns daran gehalten. Bei der Vorentscheidung in Bosnien haben unsere Kompositionen den ersten, zweiten und dritten Platz belegt.

Unter welchen Bedingungen arbeiten Sie in Sarajevo?

Die Gefühle schwanken ständig, mal ist man gut drauf, im nächsten Moment niedergeschlagen. Es ist wie ein Wechselbad zwischen heiß und kalt. In solch einer Atmosphäre brechen sogar Steine. Aber es ist inzwischen viel besser, als es in den vergangenen zwei Jahren gewesen ist. Die Bombardierungen haben aufgehört, und eine Menge positiver Energien sind freigesetzt worden.

Wie äußert sich das?

Die Leute gehen wieder aus ihren Häusern raus, überall werden Partys organisiert, die Kunst blüht. Die Leute komponieren Lieder, schreiben Gedichte, malen Bilder. Es passiert unheimlich viel in diesen Bereichen, es gibt jeden Tag Konzerte, Performances, Ausstellungen. Die Kneipen sind wieder offen, das Nationaltheater, private Radiosender. Es werden wieder Filme gedreht, die auf Festivals in ganz Europa laufen. Das ist unsere Art zu kämpfen. Alles wird zur Kunst umfunktioniert. Wir haben dem irischen Kultusminister Michael D. Higgins auf dem Empfang am Freitag eine Skulptur geschenkt, die wir aus einem Teil von einer Granate gemacht haben. Ihm sind fast die Tränen gekommen. Interview: Ralf Sotscheck