Physiker im Freudentaumel

■ Die jahrelange Suche nach dem Ursprung unserer Welt

Chicago (dpa/AP) – Der letzte gesuchte Baustein aller Materie scheint entdeckt zu sein: Ein internationales Team von 440 Forschern hat im amerikanischen Teilchenbeschleuniger „Fermilab“ in Batavia im US-Staat Illinois erstmals einen Nachweis für die Existenz des als „Top-Quark“ bezeichneten Elementarteilchens gefunden. Dies gab die Direktorin von Fermilab, Judy Jackson, bekannt. Auf einer Pressekonferenz, die simultan in den USA, Italien und Japan stattfand, scheuten die Wissenschaftler jedoch davor zurück, ihr Ergebnis als endgültig zu bezeichnen. Bevor die Physiker die „Entdeckung“ des Top-Quarks offiziell verkünden, wollen sie erst mehr dieser winzigen Teilchen erzeugen, hieß es. Die internationale Physiker-Gemeinschaft ist da weniger vorsichtig: Sie bezeichnet das Forschungsergebnis jetzt schon als einen Meilenstein: Vergleiche mit Einsteins Relativitätstheorie und Newtons Gesetz der Schwerkraft werden herangezogen. Quarks sind die elementaren Bausteine der Materie. Aus ihnen sind die Protonen und Neutronen des Atomkerns aufgebaut. Fünf Quarks sind bereits identifiziert. Doch sechs müssen es sein, wenn das Standardmodell stimmen soll. Die internationale Suche nach dem Top-Quark hatte 1977 mit der Bestimmung des sogenannten „Bottom-Quark“ am Fermilab begonnen. Seitdem fahnden die Physiker in den großen Teilchenbeschleunigern der Welt nach den Bausteinen der Materie.

Protonen und Antiprotonen werden im Beschleuniger des Fermilabs mit knapp einer Billion Elektronenvolt beschleunigt und in einem gut sechs Kilometer langen Tunnel gegeneinander gelenkt. Sie prallen fast mit Lichtgeschwindigkeit aufeinander und „explodieren“ in ihre noch kleineren Bestandteile, Quarks, Leptons und Bosons, die nur Bruchteile von Sekunden existieren. Die Spuren der Teilchen, die bei den rund 250.000 Protonen-Antiprotonen-Kollisionen pro Sekunde in dem Beschleuniger des Fermilabs entstehen, werden von hausgroßen Meßinstrumenten aufgezeichnet und später mit Hilfe von Computern in eine Art „elektronische Fotografie“ umgesetzt.

Das Top-Quark fasziniert die Physiker nicht nur, weil es das Standardmodell von der Entstehung der Materie untermauern könnte. Es ist auch bei weitem das schwerste aller elementaren Teilchen. Warum das so ist, wissen die Physiker nicht zu sagen. Sie glauben aber, die Antwort darauf könnte den Ursprung von Masse erklären und damit eine neue Ära der Physik eröffnen. Den nächsten Schritt zur Enträtselung dessen, was die „Welt im Innersten zusammenhält“, haben die Physiker bereits ausgemacht: Jetzt wird das sogenannte „Higgs“-Teilchen gesucht, dessen Existenz aber noch nicht einmal sicher ist.