Pannen-Müllofen abgeschaltet

Mehr als 30 Risse in Brennöfen und Leitungsrohren der angeblich modernsten Müllverbrennungsanlage der Welt / Kostenüberschreitungen sorgen für zusätzlichen Ärger  ■ Aus Augsburg Klaus Wittmann

Als modernste Müllverbrennung der Welt wurde die Augsburger Milliardenanlage gefeiert, als im Oktober letzten Jahres die sogenannte Warminbetriebnahmephase begann. Doch kaum wurde am 1. April auf Vollast hochgefahren, häuften sich die Pannen gleich serienweise. Mehr und mehr wird das vermeintliche Vorzeigeobjekt zum Gespött.

Am Dienstag letzter Woche mußte die gesamte Müllverbrennungsanlage abgeschaltet werden. Zu gefährlich drohten die mindestens dreißig Risse an den Müllöfen, Kesseln und Rohrleitungen für die Mitarbeiter zu werden. Zuvor hatte es schon erhebliche Probleme mit den Schiebern der großen Müllverbrennungsöfen gegeben, die die Strahlungshitze nicht aushalten. Auch die Elektronik des Müllkranes funktioniert trotz fünfzig Reparaturen noch immer nicht richtig.

Mit gebückten Köpfen schleichen die Verantwortlichen heute an den riesigen Müllöfen und Kesseln vorbei. Kleinlaut werden die nicht mehr zu verschweigenden Fehler eingestanden. „Wir gehen davon aus, daß im Kessel Nummer drei etwa zwanzig Risse sind und im Druckrohr zu den Turbinen zehn bis fünfzehn Risse“, erklärt der Leiter der Öffentlichkeitsabteilung beim Augsburger Abfallzweckverband, Wolfgang Abold.

Damit nicht genug, weitere Rohrleitungen und Verbrennungsöfen sind undicht. Nach den Ursachen wird noch gesucht. Vermutet wird, daß falsche Berechnungen der Grund sind. Die riesigen Kessel, die, zerlegt in dreizehn Einzelteile, auf Sattelschleppern von Bielefeld nach Augsburg transportiert wurden, seien 2,5 Meter länger als andere Kessel und daher anderen Kräfteverhältnissen ausgesetzt worden.

Über die Konsequenzen ist man sich in Augsburg auch noch nicht klar. Müssen die großen Kessel möglicherweise gar wieder abgebaut und verschrottet werden? Die Frage wagt kaum jemand offen auszusprechen. „Es ist peinlich. Nicht einmal die simpelsten Anlagenteile funktionieren. Da rätseln hochbezahlte Experten, wie es denn zu den zahllosen Lecks und Rissen kommen konnte, gerade so, als wäre zum ersten Mal ein Müllkessel gebaut worden“, spottet Stadträtin Christl Kamm (Die Grünen).

Aber die Pannenserie ist ja nicht das einzige Problem, das dem ins Gerede gekommenen Vorzeigeprojekt anhaftet. Mitglieder der verschiedenen Bürgerintiativen gegen die Großverbrennungsanlage wollen Klarheit darüber, warum diese mindestens dreimal so teuer ist wie veranschlagt, und fordern eine Prüfung durch den Rechnungshof. Hinterfragt wird auch, ob bei der hohen Gewinnverzinsung für die privaten Betreiber Steag und Lech-Elektrizitätswerke (LEW) alles mit rechten Dingen zugeht. „Der Steag und der LEW wurde eine sichere Gewinnverzinsung von 6,5 Prozent nach Steuer zugesichert, also mindestens dreizehn Prozent. Das paßt doch nie und nimmer in die wirtschaftspolitische Landschaft“, sagt Stadträtin Kamm.