Künftig wieder engagiert arbeiten

■ Gerhard Zwerenz, 1982 ausgetreten und seit 1994 wieder dabei, über seinen Konflikt mit dem Verband und den Willen zum Neuanfang

taz: Herr Zwerenz, im Februar 94 sind Sie in den VS zurückgekehrt. Aus welchem Grund?

Gerhard Zwerenz: Ich bin 1982 zusammen mit Ingrid Zwerenz ausgetreten, weil ich den Konflikt, von dem andere dann später erfahren haben, schon damals zu spüren bekam. Ende der 70er Jahre sollte ich als Mitglied der ersten Delegation des Deutschen Schriftstellerverbandes nach Moskau reisen. Ich bekam aber von Moskau aus keine Erlaubnis. Da sind die anderen Delegationsmitglieder zunächst auch nicht geflogen. Die Verbandsspitze hat dann später mit Moskau erneut verhandelt und eine andere Delegation zusammengestellt – ohne mit mir zu sprechen. Presseberichten aus Moskau zufolge hat man mir dort wohl eine zu harsche Kritik an der Sowjetunion vorgeworfen. Mit dieser Geschichte begann die Entfremdung zum Verbandsvorstand. Als dann 1982 Stephan Hermlin (der vom VS-Vorstand so geschätzte DDR- Gesprächspartner, d. Red.) ohne auf Widerspruch des Verbandes zu stoßen, davon sprach, im westdeutschen Verband seien einige, die statt als Schriftsteller mehr als Kriminelle hervorgetreten seien, trat ich aus. Inzwischen weiß ich, daß sich Hermlin seinerzeit an eine Operation der Stasi gegen mich angehängt hat. Ich bin jetzt wieder eingetreten, weil ich meine, daß die damalige Konfliktsituation soweit überwunden ist, daß man mit dem Verband wieder engagiert arbeiten kann.

Spüren Sie tatsächlich den ehrlichen Willen zum Neuanfang im VS? In der Grundsatzrede von Dieter Lattmann waren selbstkritische Töne kaum zu hören...

Ich will Dieter Lattmann, mit dem ich seit Jahrzehnten befreundet bin, keinen Mangel an ehrlichem Willen unterstellen, aber es fällt ihm schwer, über seinen Schatten zu springen. Letztlich ist der Konflikt darauf zurückzuführen, daß die westdeutsche Linke insgesamt sich nie wirklich interessiert hat für die Vorgänge im Osten. Ich habe schon 1961 in meinem Buch „Ärgernisse“ über meine damaligen Freunde in der DDR berichtet, die alle eingesperrt und nach Bautzen gebracht worden waren. Ich habe über Wolfgang Harig, Walter Janka und Erich Loest im Westen berichtet. In der westdeutschen Öffentlichkeit, insbesondere von linken Intellektuellen, ist dieses Buch nie wahrgenommen worden. Die Linken im Westen wollten von diesen Vorgängen einfach nichts wissen. Im Schriftstellerverband hat sich das in den 80er Jahren noch verhärtet, weil mein Freund Bernt Engelmann glaubte, er müsse die sogenannte neue Ostpolitik der SPD so weiter führen, wie sie in den 70er Jahren zu Recht entworfen und entwickelt worden ist. Anfang der 80er Jahre begannen aber die Oppositionsbewegungen im Osten. Zuerst Solidarność in Polen, danach auch in der DDR. Darauf wollte sich die SPD nicht einlassen, und Engelmann folgte ihr. Das hat er mir gegenüber im übrigen vor einem Jahr auch eingestanden.

Läßt sich mit dem aktuellen Stamm von VS-Mitgliedern ein neuer Kurs einschlagen?

Ich bin der Meinung, daß ein Schriftsteller in seinen Berufsverband gehört. Ich halte etwas von einer gewerkschaftlichen Solidarität auch unter Schriftstellern. Wir können dieses Land nicht sich selbst überlassen. Wir brauchen eine neue Leidenschaft gegen den Rechtstrend in diesem Land. Wenn die Gesellschaft sich so gefährlich nach rechts entwickelt, wie das derzeit geschieht, dann müssen Schriftsteller dazu etwas sagen. Interview: Walter Jakobs