Sterben und erben lassen

■ Wie man Eltern enterbt und eine Wiederbelebung verhindert – fast alles über Testamente und PatientInnenverfügungen / taz-Serie „Sterben in Bremen“, Teil 5

Gräßliche Vorstellung: Eigentlich sind Sie schon gestorben, doch nun bäumt sich Ihr Körper unter Elektroschocks auf – zwecks Wiederbelebung. Unten vor der Krankenhauspforte steht Ihre Lebensgefährtin und wird weder vorgelassen zu Ihnen noch gefragt, ob Sie solch rüde Behandlung überhaupt wünschen. Ein weiteres Schreckensszenario: Nach Ihrem Tod fällt Ihr Vermögen an die Eltern, obwohl Sie mit denen vor Jahren schon gebrochen haben. Der Mensch, mit dem Sie zusammenleben, geht dagegen leer aus. Beides kann man verhindern, zum Beispiel mit einer PatientInnenverfügung, zum Beispiel mit einem Testament.

Eine PatientInnenverfügung, umgangssprachlich PatientInnen-„Testament“ genannt, ist für den Fall gedacht, daß die ÄrztInnen einen medizinischen Eingriff machen wollen, die Patientin ihre Einwilligung aber nicht mehr sagen kann. Üblicherweise werden dann die Verwandten nach dem mutmaßlichen Willen der Patientin gefragt. Sind die nicht zu erreichen, geht die Ärztin davon aus, daß die Patientin eine Behandlung wünscht.

Solche Fremdbestimmung läßt sich in der PatientInnenverfügung zum Beispiel mit diesem Satz verhindern: „Im Falle irreversibler Bewußtlosigkeit, wahrscheinlicher schwerer Dauerschädigung des Gehirns oder des dauernden Ausfalls lebenswichtiger Funktionen meines Körpers bin ich mit einer Intensivtherapie oder Reanimation nicht einverstanden.“ Je ausführlicher solche Bestimmungen, umso besser, sagt Uwe Dietz, Sterbebegleiter der Bremer Hospiz-Hilfe und Jurist. Vordrucke für PatientInnenverfügungen gibt es zum Beispiel bei der Bremer Hospiz-Hilfe oder bei Pro Senectute, aber auch in einem sehr praktischen Heft mit dem Titel „Alles geregelt – Tips zur rechtlichen Vorsorge für Menschen mit chronischen Krankheiten und Behinderungen“ (ISBN-Nummer 3-930425-00-9, kostet fünf Mark). Darin finden sich außerdem Vordrucke für Bankvollmachten, Postvollmachten oder für Besuchsrechte – wer in nicht-ehelicher Gemeinschaft lebt, sollte nämlich verfügen, daß die Partnerin Besuchsrecht hat und von den behandelnden ÄrztInnen informiert wird.

Wer eine Feuerbestattung wünscht oder eine kirchliche Trauerfeier vermeiden will, sollte auch dies zu Lebzeiten festlegen – allerdings lieber nicht im Testament, denn das wird meist erst nach der Beerdigung eröffnet. Durch solche Verfügungen kann man auch verhindern, daß in der Todesanzeige die schwule/lesbische Lebensweise oder die Todesursache (zum Beispiel Aids) unterschlagen wird.

Im Testament dagegen geht es vor allem um den Besitz. Wichtig ist ein Testament vor allem für Menschen, die in nicht-ehelichen Partnerschaften leben. Gesetzliche Erben sind nämlich Eltern, Kinder und EhegattInnen, nicht aber FreundInnen. Nur mit Hilfe eines Testaments kann man die gesetzliche Erbfolge unterbrechen und als Haupterbin zum Beispiel die Freundin einsetzen. Doch den nächsten Verwandten steht weiterhin ein sogenannter Pflichteil zu, der die Hälfte des ursprünglichen Erbteils ausmacht. Richtig enterben kann man Verwandte nur, wenn sie der Erblasserin zum Beispiel nach dem Leben getrachtet, sie mißhandelt oder die Unterhaltszahlungen böswillig vernachlässigt haben ... (sexueller Mißbrauch durch den Vater wäre ein Motiv).

Auch wenn die Freundin als Alleinerbin eingesetzt wurde, ist sie einer Gattin nicht gleichgestellt: Muß die Gattin Erbschaftssteuer erst ab einem Erbe von 250.000 Mark zahlen, langt das Finanzamt bei der Freundin schon ab 3.000 Mark zu – mit 20 bis 70 Prozent. Auch durch Schenkungen läßt sich der Fiskus nicht umgehen, gibt es doch die gleichermaßen hohe Schenkungssteuer. „Die nichteheliche Lebensgemeinschat ist im Bürgerlichen Gesetzbuch schlicht und ergreifend nicht vorgesehen“, sagt Uwe Dietz.

Das schönste Testament nutzt übrigens nicht, wenn es nur im Computer steht. Es muß handgeschrieben vorliegen, ein Datum und die Unterschrift tragen. In den Formulierungen ist man frei, es empfiehlt sich aber eine Wendung wie „Zu meinen Erben setze ich ein...“ Genaueres weiß die Broschüre „Erben und Vererben“, die beim Bundesministerium der Justiz, Referat Öffentlichkeitsarbeit, Postfach 200365, 53133 Bonn kostenlos zu beziehen ist. Wer viel zu vermachen hat und böse Ränkeschmiede fürchtet, hinterlegt sein Testament am besten beim Amtsgericht oder in einem Notariat. Denn das korrekteste Testament nützt nichts, wenn es nicht gefunden wird. Christine Holch