Studis ohne Begehren

■ 10.000 Unterschriften fehlten für Einleitung des Volksbegehrens

Sie haben es nicht geschafft. Nur 70.000 Unterschriften konnten die Berliner Studierenden gestern um 12 Uhr 30 dem Landeswahlleiter übergeben. 80.000 wären nötig gewesen, um das Volksbegehren zur vorzeitigen Auflösung des Abgeordnetenhauses, wie von der „Aktionsgemeinschaft (AG) Volksbegehren“ geplant, am 12. Juni durchzuführen. Dann hätten sich 20 Prozent der Wahlberechtigten auf den Bezirksämtern eintragen müssen, was durch die Zusammenlegung mit der Europawahl erleichtert worden wäre.

Die „AG Volksbegehren“ war Anfang Dezember vergangenen Jahres als spontane Idee der Landes-Asten-Konferenz entstanden, um gegen die von Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU) geplante Einführung von Studiengebühren, die Einschränkung der Hochschulautonomie und eine drastische Verringerung der Studienplätze zu protestieren.

Während der Streikwochen im Dezember kamen die Sammler rasch voran: Nach den Hochrechnungen der AG Volksbegehren hatten nach acht Tagen 36.000 BerlinerInnen unterschrieben, Anfang Januar waren es bereits 55.000. Seitdem stagnierte die Zahl der Unterschriften, sagte AG- Pressesprecher Jörg Hermeier gestern der taz: „Mit dem Ende des Streiks war Schluß.“ Zwar verbuchte er es als Erfolg des Volksbegehrens, daß Erhardt die Studiengebühren und die Autonomiebeschränkung zurückzog, doch sei damit die Motivation erlahmt.

Unerfüllt blieben auch die Erwartungen an die 22 Bündnispartner, die das Volksbegehren seit März unterstützten, darunter Bündnis 90/Die Grünen, die PDS und mehrere Gewerkschaften. Sie kamen zusammen nur auf 5.000 Unterschriften. Angesichts der „katastrophalen Verkehrs- und Wohnungsbaupolitik der Großen Koalition“ hatte sich die AG mehr Unterstützung außerhalb der Studierendenschaft erhofft. Den Hauptgrund für das Scheitern sieht die AG jedoch im mangelnden Rücklauf der 3.000 ausgegebenen Listen. „Es ist zum Teil haarsträubend, wo die Leute ihre Listen gelassen haben“, meinte Hermeier.

Viele Studierende hätten nicht unterschreiben können, weil sie nicht mit erstem Wohnsitz in Berlin gemeldet seien. Die Aktivisten, die fünf Monate geackert haben, sind jetzt „ratlos und enttäuscht“. Hermeier tröstet sich mit dem „Gefühl, erstmals ernstgenommen worden zu sein“ und damit, daß 70.000 Unterschriften „schon ein Erfolg“ seien. Da sie gestern ohne formellen Antrag auf ein Volksbegehren eingereicht wurden, bestehe noch die Möglichkeit, weiterzusammeln. Ralph Bollmann