Aachen: Angst vor Toten Hosen

Aachen (taz) – Den Aachener Nachrichten schwant Übles: „Können die Darbietungen der Toten Hosen die Chorhalle des Doms bröckeln lassen?“ Und noch schlimmer: „Können die Toten Hosen den halben Dom zum Einsturz bringen?“ Wer weiß – wenn man sie läßt. Die Toten Hosen, Teenie-Kultband aus Düsseldorf, sollen im Juni beim „3. Aachener Kultursommer“ auf dem innerstädtischen Katschhof auftreten, gleich neben dem Dom. Rockbands neigen, so weiß das lebenserfahrene Domkapitel, zu Lautstärken, die keine Kirchenorgel je erreicht. Und so gibt es heftig Streit und Befürchtungen, daß die Phonzahl am ältlichen Gebälk und Gemäuer nagen könnte: Der Dompropst mahnt den Kulturdezernenten, die Genehmigung zurückzuziehen, der Oberstadtdirektor erklärt die Angelegenheit zur Chefsache, ämterübergreifende Ortsbegehungen finden statt, der Regierungspräsident in Köln hat um Rapport gebeten. Angst in Aachen: Kracht der Dom womöglich komplett ein, wird aus den Gebeinen Kaiser Karls Kalkpüree? Schon sind „Beamte im Streß“, wie die Lokalzeitung beobachtete. Leichtfertige Beschwichtiger wenden ein, die Chorhalle des Domes habe auch den Bombenhagel der Alliierten 1944 überstanden. Doch radikale Anwohner drohen mit Klagen vor dem Verwaltungsgericht. Und ein Leserbriefschreiber wurde grundsätzlich: „Der Rock- Lärm mordet Seelen. Der Rock führt zu sexueller Enthemmung, Drogenelend und Satanskult.“ Stil hätte ein Einsturz des katholischen Sektentempels zu den Takten des Hosen-Hits „Achterbahn“: „Gebt die Bahn frei – geht aus dem Weg... Unser Glück dauert nur 'ne kurze Zeit. Das ist besser als Langeweile in alle Ewigkeit... Eine Stimme ruft uns zu: Letzte Warnung! Es läuft der Countdown für den Absturz...“ Die Grünen fragen die grübelnde Beamtenschaft der Stadt: „Liegen der Verwaltung Informationen darüber vor, welche Dezibelzahl das Glockengeläut des Doms erreicht?“ Und wenn ja: „Hält die Verwaltung angesichts der möglichen Gefährdungen eine Schließung des Doms für notwendig?“ Herr, flüster ihnen die richtige Antwort zu. Aber ganz, ganz vorsichtig und leise. -müll