„Jetzt haben wir die Meuterei“

Abgelehnte algerische Asylbewerber protestieren in deutschen Gefängnissen gegen die überlange Haftdauer. Ihr Heimatland jedoch verweigert ihnen die Einreise  ■ Aus Berlin Anita Kugler

Die Bilder, die am Samstag abend über die Fernsehschirme flimmerten, kamen nicht aus den Gefängnissen von Peru, sondern aus Leverkusen-Opladen. Genau wie in Lateinamerika im vergangenen Jahr standen Häftlinge auf dem Gefängnisdach und drohten, sich 12 Meter tief hinunter zu stürzen. Mit der Todesdrohung wollten erst 14, dann neun algerische Abschiebehäftlinge ein Ende ihrer monatelangen Haft erzwingen.

Deutschland will die abgelehnten Asylbewerber gerne loswerden – doch Algerien verweigert ihre Annahme. Deshalb müssen sie in Leverkusen und anderen Knästen wochen- und monatelang warten. Schon vor Leverkusen kam es in Büren bei Paderborn zu einer ähnlichen Aktion. Dort hatten sich 50 bis 80 algerische Abschiebehäftlinge geweigert, in das Gebäude zurückzugehen. Weitere Aktionen sind nicht auszuschließen, befürchtete der Pressesprecher des nordrhein-westfälischen Justizministeriums, Dieter Wendorf. Etwa 200 von ihnen befinden sich verteilt auf acht Abschiebeanstalten im Land, die durchschnittliche Verweildauer betrage sechs bis acht Monate, bei Asylbewerbern aus anderen Ländern höchsten 30 Tage. Unter bestimmten Bedingungen sei eine Abschiebehaft laut Gesetz bis 18 Monate möglich. „Dann müssen sie freigelassen werden.“

„Wir würden die Abschiebedauer ja gerne verkürzen“, bestätigt der Sprecher des für die Abschiebungen zuständigen nordrhein-westfälischen Innenministeriums, Johannes Winkel, „können es aber leider nicht.“ Nicht sie seien schuld an den überlangen Haftzeiten, sondern die mangelnde Bereitschaft von Algerien, seine Landsleute wieder aufzunehmen. „Das ist ein Verstoß gegen das Völkerrecht“, sagt er. Offensichtlich wolle Algerien „aus Angst vor den Fundamentalisten die Leute nicht zurücknehmen“, meinte er, „und wir haben dann die Meutereien am Hals“.

Als zweites großes Problem kommt hinzu, daß die meisten Flüchtlinge aus Algerien nach der offiziellen Ablehnung eines Asylbegehrens „ihre Pässe verlieren“. Dann müßten bei der Botschaft Paß-Ersatzpapiere beantragt werden, und „dafür würden sich die algerischen Behörden viel Zeit lassen“. Zudem lasse Algerien nur eine Handvoll abgelehnte Asylbewerber pro Tag ins Land, in Deutschland warten jedoch Hunderte.

Das Auswärtige Amt bestätigte, daß es trotz vieler „Demarchen“ Schwierigkeiten mit den Rückkehrmöglichkeiten von abgelehnten Asylbewerbern gebe. Im Prinzip gewähre aber die Bundesrepublik Deutschland in Algerien verfolgten Fundamentalisten politisches Asyl, wie im jüngsten Fall dem Führer der FIS, Rabah Kebir. Algerien stehe nicht auf der deutschen Liste der „sicheren Herkunftsländer“, bei denen ein Asylbegehren gar nicht erst angenommen wird. Abgelehnt würden nur Leute, denen in Algerien keine Verfolgung aus politischen Gründen drohe.

Pro Asyl fordert mit Blick auf die Haftanstalten in Nordrhein- Westfalen einen generellen Abschiebestopp für Algerier.