Gleiches Recht ist unverbindlich

■ Auch nach seiner Verabschiedung stößt Angela Merkels Gleichberechtigungsgesetz auf harsche Kritik

Köln (taz) – Nun ist es also vom Bundestag verabschiedet, das Gleichberechtigungsgesetz, mit dem die Bundesregierung im Wahlkampf hausieren gehen will. Wer handfeste Eingriffe in gesellschaftliche Regeln und Strukturen assoziiert, wird irritiert sein. Es dürfte einmalig sein, daß ein Gesetz letztlich nur aus freundlichen Empfehlungen besteht. Da ist der öffentliche Dienst verpflichtet, „Frauenförderpläne mit verbindlichen Zielvorgaben“ aufzustellen und Frauenbeauftragte sollen für deren Verwirklichung sorgen.

Die Öffentlichkeit hatte vor allem die grandiose Unverbindlichkeit des Gesetzentwurfes kritisiert. Zu mehr als sprachlicher Schönung aber sah sich die Regierung nicht veranlaßt. Das Wort „verbindlich“ kam in den Text, die Frauenbeauftragte „kann“ nun gewählt werden. Aber Quotierung und Sanktionen, mit denen tatsächlich Rechte konstituiert und Verstöße geahndet werden könnten, sind weiterhin ebenso tabu wie autonome Machtbefugnisse für Frauenbeauftragte. Auch die Pflicht, familienbedingte Teilzeitarbeit und Beurlaubung zu bewilligen, steht unter Vorbehalt und ist spielend zu unterlaufen.

Nur die Schadensersatzregelung bei Diskriminierung berührt unmittelbar die private Wirtschaft. Die Schutz- und Verfolgungsvorschriften gegen sexuelle Diskriminierung bleiben schwach und gehen von einem fragwürdigen Frauenbild aus: Ohne nachweisbare „erkennbare Ablehnung“ von Übergriffen, braucht sich frau erst gar nicht zu beschweren. Was die Frauenministerin Angela Merkel selbst als ein „Meilenstein in der Gleichberechtigungspolitik“ bezeichnet, ist allenfalls ein bißchen bewußtseinsfördernde Lobbyarbeit. Denn wer Frauen nicht fördern will, braucht auch nichts zu befürchten.

Für Politiker ist das kein Vorgang, den sie kommentieren müßten. „Einen schwarzen Tag für die Gleichberechtigung“ aber nannte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer die Verabschiedung des Gesetzes. Sie sprach von einer „herben Enttäuschung“ und „Niederlage“, weil das Gesetz inhaltsleer und für die Mehrheit der Frauen völlig bedeutungslos sei. Es gelte nur für etwa 600.000 weibliche Beschäftigte im öffentlichen Dienst.

Das neue Gesetz ist eine Verhöhnung der Frauen

Auch die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Hanna Wolf, nennt es eine „Verhöhnung der Frauen“, das Gesetz auf ein Prozent der erwerbstätigen Frauen zu beschränken und die private Wirtschaft völlig auszuklammern. Die Regierung sei nicht einmal der Kritik der von ihr selbst berufenen Sachverständigen nachgekommen. Dr. Ute Sacksofsky hatte dem Regierungsentwurf attestiert, „ohne Biß“ zu sein. Prof. Ulrich Battis konstatierte, der Entwurf bleibe „weit hinter dem verfassungsrechtlich Möglichen zurück“. Die SPD will mit ihrem Gegenentwurf für ein Gleichstellungsgesetz Frauenförderung wirksam honorieren und Diskriminierung wirksam sanktionieren. Dazu soll vor allem eine leistungsbezogene Quotierung bei Einstellungen und Beförderungen dienen. Arbeitsfördermaßnahmen sollen entsprechend dem Anteil von Frauen an der Erwerbslosigkeit quotiert werden. Unternehmen, die Frauen fördern, sollen subventioniert werden. Wer gegen das Gesetz verstößt, handelt sich Geldbußen bis zu 100.000 Mark ein. Wo der Gleichstellungs-Hase im Pfeffer liegt, macht die Erklärung der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände deutlich. Obwohl die private Wirtschaft nicht tangiert wird, machen sich die Herren viel Mühe mit der Gesetzeskritik. Von einer Beispiel setzenden Wirkung des öffentlichen Dienstes wollen sie nicht viel wissen. Um die Gleichbehandlung von Frau und Mann zu verbessern, halten sie gar „keine neuen gesetzlichen Reglementierungen“ für erforderlich. Im Gegenteil, endlich müsse erst einmal das Verbot der Beschäftigung von Frauen im Bauhauptgewerbe, das Nachtarbeitsverbot für Arbeiterinnen und der Arbeitgeberzuschuß zum Mutterschaftsgeld abgeschafft werden. Das nämlich hemme Frauenbeschäftigung. Einen „überzogenen Schutzgedanken“ für Frauen lehnen sie rundherum ab. Die zu erwartenden „Effizienzstörungen“ seien kontraproduktiv. Gleichzeitig weisen die Arbeitgeberverbände den Verdacht schwerwiegender Defizite in der Wirtschaft von sich. Ihnen paßt nicht, daß Betriebsräte verstärkt auf Frauenförderung achten oder Unternehmen Rücksicht auf „Beschäftigte mit Familienpflichten“ nehmen sollen. Ganz besonders empört sie der Gedanke, sexuelle Belästigung könne aus dem „rein subjektiven Blickwinkel des angeblich (!!) Betroffenen“ definiert werden. Das wagt das Gesetz freilich gar nicht. Geht es nach den Verbänden der Arbeitgeber, so soll für Frauen alles beim alten bleiben. Und so geschah es denn auch: Den Arbeitgebern stank das ganze Gesetzesbrimborium, und die Bundesregierung ging vor ihnen auf die Knie. Mechthild Jansen