Nelson Mandela will alle Parteien um sich scharen

■ Südafrikas ANC steigert seinen Stimmenanteil

Berlin (taz) – Abschied von der exklusiven Macht: Zum letzten Mal trat gestern in Südafrika das weiße Kabinett zusammen, um nach den Wahlen der letzten Woche das Ende der Minderheitsherrschaft vorzubereiten. Die Minister der regierenden Nationalen Partei werden in der kommenden Regierung eng zusammenrücken müssen. Von 27 Kabinettssitzen werden sie voraussichtlich nur fünf besetzen können. Jede Partei, die bei den Wahlen mindestens fünf Prozent der Stimmen erhält, hat einen Anspruch auf Ministerposten in Nelson Mandelas „Regierung der nationalen Einheit“, die Südafrika die nächsten fünf Jahre führen soll.

Wer alles in der Regierung sitzen soll, ist bereits Anlaß für Streit. Nach dem jüngsten Stand der Auszählung hat der ANC nahezu 60 Prozent der Stimmen; die Nationale Partei liegt bei 26 Prozent. Die Inkatha-Bewegung hat bisher sechs bis sieben Prozent. Die rechtsextreme Freiheitsfront liegt bei knapp über, die liberale Demokratische Partei bei knapp unter drei Prozent. Mehrere ANC-Verantwortliche, darunter Mandela selbst, haben jedoch bereits angedeutet, daß auch die kleineren Parteien in die Regierung aufgenommen werden sollen – darunter auch der linksradikale Panafrikanistische Kongreß (PAC), der bei einem Prozent liegt.

Mit dem Endergebnis der Wahl wird an diesem Morgen gerechnet. Da in vielen der großen Townships noch nicht ausgezählt worden ist – hier sind nach Schätzung von Wahlbeobachtern rund 90 Prozent Anhänger des ANC – kann der Stimmenanteil der Mandela-Partei noch kräftig zu Lasten der NP steigen. Die Auswertung läuft vor allem deswegen langsam, weil einige Millionen Wähler mehr als erwartet an die Urnen getreten sind. Feststimmung kommt deswegen nicht auf. Der ANC appelliert immer wieder an seine Anhänger, doch „bitte geduldig zu sein“. Geduld haben Südafrikas Schwarze in Jahrhunderten weißer Herrschaft wahrlich gelernt. D.J.

Tagesthema Seite 3