„Die Leute waren aber ruhig und harmlos“

■ Zweiter Prozeß um Besetzung des kurdischen Kulturzentrums in Harburg

Die Anklage gegen den Kurden Iskan B. (22) hatte es in sich: „Gemeinschaftlicher Versuch der Herbeiführung einer Explosion“. Doch die Besetzung des Kurdischen Kulturzentrums im Harburger Wallgraben, die am Abend des 30. November 1993 durch den Sturm des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) beendet wurde und bei der zehn Kurden festgenommen worden waren, stellte sich nach dem gestrigen Verfahren eher undramatisch dar.

Iskan beteuerte, zufällig in die Aktion geraten zu sein, als er mit Frau und Kindern einkaufen wollte. Mehrere Personen hatten durch die Hintertür das Tage zuvor wegen des PKK-Verbots geschlossene Zentrum betreten. Aus „Neugier“ sei er mitgegangen. Iskan: „Dann kam die Polizei, und ich bin im Gebäude geblieben.“ Mehrere Stunden habe er in der Küche gesessen und Tee getrunken. „Ich hatte Angst rauszugehen und wollte warten, bis die Polizei weg ist.“

Von Verhandlungen zwischen Kurden und der Polizei habe er nichts mitbekommen. Im Verlauf dieser Gespräche, so Polizisten, habe ein Kurde gedroht, das Haus in die Luft zu jagen, sollte die Polizei stürmen. Als das MEK gegen 18 Uhr dann das Zentrum durch die Fenster enterte, so ein MEKler, roch es zwar nach Gas, „die Leute waren aber ruhig und harmlos“. Über die Rolle von Iskan wußte keiner der fünf Polizeizeugen etwas zu sagen. Und so folgte die Harburger Amtsrichterin Heike Ulfers den Ausführungen von Anwalt Enno Jäger und verurteilte Iskan „nur“ zu 1500 Mark Geldstrafe wegen Nötigung und Hausfriedensbruch. Die Explosionsdrohung sei der „Akt eines einzelnen“ gewesen.

Die Richterin erteilte zugleich dem Ankläger eine Abfuhr: Der hatte aus „generalpräventiven Aspekten“ fünf Monate Knast verlangt, um Autobahnblockierer und Selbstverbrenner abzuschrecken. Heike Ulfers kategorisch: Man könne dem Angeklagten generalpräventiv nicht Vorfälle anlasten, die sich Monate nach der Besetzung ereignet hätten. Acht kurdische Jugendliche müssen sich noch vor Gericht verantworten, ein Angeklagter ist bereits vom Anschlagsvorwurf freigesprochen worden. Kai von Appen