Im Zickzack geradeaus

■ Ein neues Kunstmonument an der Weser: Sol LeWitt läßt eine Mauer auf dem Teerhof bauen und grüßt die schmucken Bremer Giebelhäuschen

Neptuns Nixenschar auf dem Domshof, ein knatschgelber Signalmast am Weserufer: Die Versuche, den Bremern ein maritimes Wahrzeichen aufzudrücken, sind in jüngerer Zeit nicht eben glücklich verlaufen. Höchste Qualität verspricht nun ein neuerliches Kunstprojekt am Fluß. Am westlichen Zipfel der Teerhofinsel läßt der US-Künstler Sol LeWitt derzeit ein Monument aus weißen Betonquadern errichten. Fast 20 Meter lang und fünf Meter hoch, reiht sich die Mauer nahtlos in die Reihe kubischer Konstruktionen ein, mit denen LeWitt Weltruhm erlangte. Das Neue Museum Weserburg zeigt gerade eine große Retrospektive des Meisters; entsprechend stolz gibt man sich dort, den Künstler zu einem Bremer Original angestiftet zu haben.

Tatsächlich hat das Kunstwerk Seltenheitswert im Werk LeWitts: „Eine Arbeit“, sagt Hanne Zech vom Museum, „die spezifisch für diesen Platz gedacht ist“, im Gegensatz zur Mehrzahl transportabler und variabler Konstrukte des Künstlers. Die „Situation am Fluß“ sei hier ebenso reflektiert wie die Eigenheiten der umliegenden Architektur: LeWitts Mauer ahmt die Wellen- bzw. Zickzackform der Treppengiebel nach. Den Platz, die steinerne Bastion an der Teerhof-Spitze, habe der Künstler selbst ausgewählt. Zum Freundschaftspreis von 30.000 Mark wird die Mauer nun errichtet; das Geld gaben die Stiftung Wohnliche Stadt, die Nicolaus-Schilling-Stiftung und die Bremer Bank. Dafür soll das gute Stück „mindestens drei Monate“ auf der Bastion prangen. Der weitere Verbleib ist unsicher.

Längeres Ansehen, das zeichnet sich schon in der Bauphase ab, wird dieses Monument auch schwerlich aushalten. Denn LeWitt hat hier das Naheliegende getan, mehr nicht. Dem bereits existierenden, steinernen Bollwerk an der Brücke fügt er ein weiteres hinzu. Und der sinnfällige Bezug zum Aufstellungsort wird durch die Zackenform gestiftet, in die der Künstler seine bewährten Standardquader diesmal ordnet. Wer künftig auf der Kaisenbrücke flaniert und vom Monument aus den Blick über die Stadtsilhouette schweifen läßt, der sieht praktisch die halbe Stadtgeschichte zitiert: Von den Treppengiebeln der Martinikirche über die Dächer der Speicherhäuser bis zu den postmodernen Giebelnachbildungen, mit denen sich die Architektur des Teerhof-Komplexes schmückt.

Nicht zuletzt wiederholen LeWitts Kunstzacken das Logo des Museums: Darauf sind, mit flottem Pinselstrich, abermals die markanten Giebel der Weserburg skizziert. Als Motiv für den Briefkopf oder die Werbeflaggen des Museums recht prägnant. Aber in seiner steinernen Form dürfte sich der Reiz der pittoresken Zickzacklinien recht bald erschöpfen. Was LeWitts frühere Quaderbauten auszeichnete, war eine Spannung zwischen Ordnung und Chaos, zwischen der exakten Form und der Prinzip der unkontrollierbaren Reihe. Was davon in Bremen übrigbleibt, ist die Ordnung, hübsch anzusehen, aber rasch durchschaut. Thomas Wolff

P.S.: Und das wäre vorerst alles, was zu berichten ist. Wenn nicht, auf dem Rückweg von der Kunstbaustelle, wiederum der Neptunbrunnen läge. Wie er schön in der Sonne glänzt, wie er allzeit munter einherplätschert mit seiner ganzen Kunst. Mit seinen bronzenen Titanen im Schlepptau, mit seinen wasserspeienden und -schnaubenden Kentaurenköpfen. Vielleicht sollte LeWitts Mauer doch etwas länger in der Stadt bleiben; vielleicht kommen die Bremer Kunstschmiede doch auf etwas andere Gedanken.

Eine feierliche Übergabe des Monuments, in Anwesenheit LeWitts, ist für Mitte Mai geplant; die Retrospektive im Neuen Museum Weserburg läuft noch bis Ende des Monats