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The world according to Coca-Cola Von Andrea Böhm

Das hätte mir mal einer prophezeien sollen bei meiner Geburt. Oder Erstkommunion. Oder Abiturfeier. Daß ich eines Tages in einer Coladose enden würde. Vielleicht war es ja kein Ende, sondern ein neuer Anfang, eine Initiation. Vielleicht gehört in diesem Land erst richtig dazu, wer in Atlanta im Coca-Cola-Museum gewesen ist. Das heißt natürlich nicht „Museum“, weil das viel zu anachronistisch und weltlich klingt. Ladies and Gentlemen, Sie betreten einen Tempel – auch wenn er aussieht wie eine Vollzugsanstalt und „The World of Coca-Cola-Pavilion“ genannt wird.

Draußen hängt über dem Eingang eine riesige Coca-Cola-Weltkugel; drinnen kann man, wie gesagt, in einer Dose verschwinden. Ein Apotheker erfand Coca-Cola im Jahre 1886 in Atlanta, indem er einen undefinierbaren braunen Sirup zusammenbraute – und vermutlich aus Versehen mit Sprudelwasser vermischte. Das Endprodukt begann ein eher unauffälliges Dasein als Erfrischungsgetränk für die Dame, die an selbigem mit abgepreiztem kleinen Finger aus einem Teeglas nippte.

1915 wurde Geschichte gemacht: Die Firma entwarf die ultimative Coca-Cola-Flasche; 1923, in den Zeiten der ersten Frauenbewegung, erfand man das Six-Pack – angeblich, um den Sufragetten das Einkaufen zu erleichtern. 1928 trat Coca-Cola zum ersten Mal als Sponsor für die Olympischen Spiele in Amsterdam auf. Von da an war der Aufstieg zur globalen Flüssignahrung nicht mehr aufzuhalten. Wer Coca-Cola trank, nuckelte am „American way of life“. Ende der Sechziger mußte der Markenname in linksrevolutionären Kreisen kurzfristig als Synonym für den „Schweinimperialismus“ herhalten, aber, Ladies and Gentlemen, diese Zeiten sind vorbei. Coca-Cola hat längst begriffen, was der Linken vor 25 Jahren noch am Herzen lag.

Klassenkämpfe überspielt man nicht mehr wie in der „Das Leben ist ein wunderbarer Drive-in“- Werbung der 50er Jahre. Den barfüßigen Bauer in Thailand dürstet es ebenso wie den Yuppie in Essen, die Straßenkinder in Bogota ebenso wie die Surfer in Kalifornien. Und was bietet sich in der Ära ethnischer Konflikte mehr an als der Multikulti-Softdrink? In der „Welt von Coca-Cola“ trinken der Massai ebenso wie der Tuareg, die brasilianische Karnevalstänzerin ebenso wie der chinesische Tai-Chi-Künstler, die Mongoloiden bei der Behinderten-Olympiade ebenso wie die US-Leichtathleten in Barcelona.

„The new global spirit in advertising“ heißt die Antwort von Coca- Cola auf die neue Weltunordnung, die so neu nun auch nicht mehr ist. Aber im Video mit der Null-Komma-Fünf-Sekunden-Schnittechnik wird sie richtig pittoresk und übersichtlich. Mandela lacht, Panzer rollen, Lenin stürzt, Palästinenser drohen, Kurden fliehen, Somalis hungern, Mutter Teresa füttert, Deutsche jubeln, Chinesen drängeln, Bomber bomben, Frauen weinen, der Papst segnet, Walesa trinkt 'ne Cola. Eine von angeblich vier Billionen, die seit 1886 ausgeschenkt worden sind.

Woher ich das alles weiß? Ich bin, wie ich eingangs erwähnte, in einer großen Cola-Dose gelandet. Da stand ein großer Fernseher. Man mußte nur den Bildschirmsensor berühren – und schon konnte man sie entdecken: The world according to Coca-Cola.

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