■ Wir lassen hören
: Die beste WM-Platte

Immer noch schlecht auf die deutsche Fußballnationalmannschaft zu sprechen? Weil sie die Nationalhymne so laut mitsingen? Weil Berti blöd ist und Lothar erst recht? Weil so viele Volltrottel auf „Deutschland“ stehen? Achtung, Vorsicht, Ihr Verächter und Verhöhner, es ändert sich was! Ein kleiner Silberling läßt das Nationalteam in einem ganz anderen Licht erscheinen: die offizielle CD der Nationalmannschaft zur WM in den USA. Die gibt's doch zu jeder Weltmeisterschaft, mag man jetzt enttäuscht rufen. Ja schon, aber in diesem Jahr ist alles anders. Auch wenn „Idea and concept“ wieder in den Händen von Ralph Siegel lagen, hat der Schlagerpapst kein Humtata inszeniert, das uns wie vor vier Jahren über den Brenner führte. Diesmal ist alles „Far away in America“.

Man muß sich das mal vorstellen: Unser Nationalteam singt das offizielle WM-Lied mit der weltbekannten Schwulenband „Village People“. Wer hätte jemals vom DFB so viel political correctness erwartet. Und Village People dürfen auf dem Cover der Platte neben den Nationalkickern sogar ihre Darkroom-Phantasiekleidung tragen. Harte Jungs mit dicken Schwänzen, inszeniert als Bauarbeiter, Indianer, Cop, Cowboy und Flugkapitän. Klasse! Die Zeiten verdrängter Homosexualität im Fußball sind damit wohl vorbei. Aber es ist nicht nur dieses symbolische Eintreten gegen Homophobie. Klare Worte auch in Fußballfachfragen von Udo Lindenberg in seinem Beitrag „Amiland“. Monatelange Diskussionen um die Torwartfrage können nach Abhören der CD mit dem offiziellen Stempel des DFB als beendet gelten, denn Udo singt: „Bodo Illgner steht im Tor.“ So einfach ist das. Auch das Für und Wider um die Person Lothar Matthäus faßt Udo treffend zusammen: „Der Lothar hat 'nen guten Schuß. Manchmal redet er viel Stuß. Das ist egal, er tut den Ball rein.“ Und der Bundestrainer? Da stand er vor der Kamera und sagt: „Äh, oh, ah, ah.“ Nicht vergessen, wir hören die offizielle Platte des DFB!

Aber Udo, unser Lieblings- Berufsjugendlicher, ist auch nicht mehr der Jüngste, und so sind ihm im weiteren Verlauf des Liedes panikartig die Zettel durcheinandergekommen. Oder weiß Lindenberg mehr? Muß Jürgen Kohler vor einem dem Fachpublikum gänzlich unbekannten „Jürgen Köhler, Eisenfuß“ um seinen WM-Platz zittern und Andy Möller vor einem gewissen „Andy Müller“?

Ein besonders schöner Tag war die Aufnahme der Platte übrigens für Matthias Sammer. Durfte er doch im Hintergrundchor zu einem Lied seiner Lieblingssängerin mitbrummen. Natürlich auch hier in english, die Nationalmannschaft ist schließlich eine Bande ausgemachter Kosmopoliten. Matthias und Nicole („Ein bißchen Frieden“) besingen dabei das Elend der Spielerfrauen. Nach Schwulenfreundlichkeit und Selbstironie jetzt auch noch feministische Reime? Naja, geht so: „It's another weekend he's off to play. Once again he is so far away.“ Aber einige Zeilen später geht's doch ohne Sozialkritik nicht ab: „The game reflects the violence of our time.“ Was wir immer gesagt haben.

Der besten WM-Platte aller Zeiten sei Dank, können wir endlich aus vollem Herzen ja sagen zum Nationalteam. Auch wenn Restbestände falscher Ideologie („No Pain, No Game“ mit den hardrockenden Scorpions) die Bewertung „100 per cent p.c.“ noch knapp verhindern. Dafür stellt die Münchner Freiheit in ihrem Lied die „Sterne von Amerika“ noch die richtigste und wichtigste Frage der ganzen Platte: „Was wäre ein Tag ohne Wirklichkeit für mich?“ Christoph Biermann