■ Das Portrait: Jan-Ole Jöhnk
Kennen Sie diese Situation – Sie erzählen gerade irgend etwas, und alle anderen Personen haben sich inzwischen längst von Ihnen abgewandt und befassen sich mit anderen Dingen? Wenn ja, dann haben Sie etwas mit dem Wahlberliner Jan-Ole Jöhnk (27) gemeinsam. Ihm passiert das öfter, ja, er provoziert so etwas geradezu: J.O. verfügt nämlich über ein ausgeprägtes Sendungsbewußtsein, Idealismus und einen enormen Drang, sich zu produzieren (ein Einzelkindphänomen, wie er meint). Wen wundert's also, daß er sogar Geld dafür bezahlt, um im Radio sprechen zu dürfen.
Seine Musiksendung heißt Speedballs, benannt nach der berüchtigten Heroin-Kokain-Mischung, die schon Chet Baker und John Belushi begeisterte und River Phoenix sogar ins Grab brachte. J.O. dagegen verträgt überhaupt keine Drogen. Nicht nur, daß er weder raucht noch Alkohol trinkt. Nein, er läßt sogar Tee und Kaffee für ein Ginger Ale stehen. Warum er dann seine Sendung ausgerechnet nach diesem Zeug benannt hat? „Ich wollte schon immer mal mit Chet Baker down sein.“
Seit August letzten Jahres läuft Speedballs nun schon im Zwei-Wochen-Turnus auf dem Offenen Kanal Berlin. Die Mischung der Musikauswahl kann dabei getrost als hemmungslos bezeichnet werden. Neben husseligem Independent-Gitarrenrock läuft auch schon mal SixtiesRadio-DJFoto: JapA
Soul, HipHop oder Country & Western. J.O.s Sendung folgt nur einem Prinzip: nämlich, daß zwei aufeinanderfolgende Songs nicht zueinander passen. Zwischen den Tracks schüttet er bereitwillig sein enzyklopädisches Wissen über die Musikszene aus. Meist verfolgt er die Karrieren der Musiker bis zu deren 16. Lebensjahr zurück und weiß einfach alles über Label- oder Bandfluktuationen, Stilwechsel, Produzenten, was auch immer. Neider lästern gelegentlich, er habe die gesamte Musikpresse der letzten zehn Jahre auswendig gelernt. Seltsamerweise hat J.O. nur wenige gesicherte Zuhörer. Das liegt natürlich weniger an der Qualität seines Programms als daran, daß der Offene Kanal Berlin nur per Satellit empfangen werden kann. Einmal machte er den Versuch, eine ungefähre Zuhörerquote zu ermitteln, und versprach: „Wer mir schreibt, der bekommt eine schöne CD geschenkt.“ Mit dem Ergebnis, daß keiner schrieb. Das sei John Peel in seinen Anfangstagen auch passiert, tröstet er sich. Dennoch hofft J.O. natürlich auf einen wachsenden Hörerkreis. Vielleicht am kommenden Dienstag um 23 Uhr? Kirsten Niemann
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