Der lange Leidensweg des kleinen Florian

■ Todesfolge: Sechs Jahre Haft für einen Vater, der seinen Sohn über Jahre prügelte

Unzählige Kinder sind in Hamburg täglich Mißhandlungen ausgesetzt, die sie nach außen zu verbergen versuchen. Auch der sechsjährige Florian hatte oft blaue Flecken im Gesicht. Wenn eine Kindergärtnerin ihn darauf ansprach, wiederholte er monoton, “ich bin in der Dusche ausgerutscht“. Florian starb im August 1992. Sein Stiefvater wurde gestern von einem Schwurgericht wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu sechs Jahren Haft verurteilt.

Der 30jährige Zeitsoldat lebte mit Florian und dessen Mutter in einer winzigen Zweizimmerwohnung, in der es immer wieder zu Spannungen kam. Für den Jungen war kein Platz, weder in der Wohnung noch in der neuen Beziehung seiner Mutter. Wegen einer Gaumenspalte, die mehrfach operiert wurde, besuchte er ein Sprachbehinderten-Kindertagesheim.

Im September 1991 riefen Nachbarn die Polizei, weil der Junge erbärmlich schrie. Doch den Gen-darmen gegenüber blieb das verschüchterte Kind stumm. Einer Sozialarbeiterin der zuständigen Behörde gegenüber räumten beide Eltern später ein, „die Hand gegen das Kind erhoben“ zu haben. Die routinierte Fürsorgerin setzte alle Hebel in Bewegung, suchte nach einer größeren Wohnung und brachte die Eltern in einer Therapie unter. Im März 1992 hatte Florian wieder ein zugeschwollenes Gesicht und preßte hervor: „Helmut hat mich geschlagen.“ Helmut - der Freund der Mutter. Für kurze Zeit kam der Junge in eine Pflegefamilie. Im August 1992 schließlich hatte der Angeklagte dem Kind abermals so zugesetzt, daß es mit dem Kopf gegen einen Türpfosten knallte und röchelnd liegenblieb. Dabei verschluckte es sich zusätzlich an einem Pfirsichkern. Der Zeitsoldat legte das Kind ins Bett, bevor die Mutter nach Hause kam. Er kannte diese aufkeimende Wut und die Striemen aus seiner eigenen Kindheit und wollte sich und seiner Freundin offenbar nicht eingestehen, daß er wieder zugeschlagen hatte, statt mit dem Sechsjährigen über Unordnung und laufende Fernseher zu streiten. Die tödlichen Folgen seines Zornausbruchs hatte er dabei unterschätzt. Erst am nächsten Morgen, als der Junge immer noch röchelte, holte die Mutter die Feuerwehr. Florian starb zwei Tage später im Krankenhaus.

Paula Roosen