Bürgerliche für bedrängte Reps

■ Der Stuhl der Reinickendorfer Rep-Sozialstadträtin Ingeborg Seifert wackelt / Ihr Parteimitglied Pöppel vergleicht seine Partei mit jüdischen Opfern des Naziregimes

Bleibt sie, oder muß sie gehen? Seit Wochen blicken die Mitglieder der rechtsextremen „Republikaner“ (Reps) sorgenvoll nach Reinickendorf. Dort droht mit Ingeborg Seifert die letzte von einst vier Stadträten der Partei, die nach der Kommunalwahl vom Mai 1992 in Bezirksämter gewählt wurden, zu stürzen. In Bedrängnis brachte sie vor rund drei Wochen ihr Parteifreund Guido Pöppel. Betroffen hatten die Mitglieder der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am 13. April den Ausführungen des Rep-Fraktionsvorsitzenden gelauscht, der seine Partei mit den jüdischen Opfern der Nazizeit verglich. Zitate aus dem Wortlautprotokoll: „Damals, Beherbergungsverbot für Juden in Hotels. Heute, Aufforderung des Hotel- und Gaststättenverbandes, keine Räume an Republikaner und deren Funktionäre zu vermieten. (...) Damals, Personen jüdischer Herkunft müssen in der veröffentlichten Meinung als Untermenschen dargestellt werden. Heute, Republikaner dürfen in den Medien, wenn überhaupt, nur negativ erwähnt werden.“

Ein Großteil der Bezirksverordneten, die zuvor noch mehrheitlich einen Antrag verabschiedet hatten, mit dem die Äußerungen des Rep-Chefs Franz Schönhuber gegen den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis, mißbilligt wurden, verließen daraufhin den Saal. Die Empörung fand Eingang in eine gemeinsame Erklärung von SPD, CDU, Bündnis 90/ Grüne und FDP, in der sie die Rede Pöppels als „umformulierte Auschwitzlüge“ verurteilten. Sozialstadträtin Seifert hingegen schwieg sich über Tage hartnäckig zu den Äußerungen ihres Parteifreundes aus. Schließlich erklärte sie gegenüber dem Nord-Berliner, als Mitglied des Bezirksamtes werde sie sich nicht zu politischen Diskussionen ihrer Fraktion äußern.

Sozialdemokraten und Grünen platzte der Kragen – sie stellten Abwahlanträge. Als diese am 27. April in erster Lesung von der BVV beraten wurden, gingen CDU und FDP auf Distanz. Ausschlaggebend war ein kurzes Statement, zu dem sich die Rep-Sozialstadträtin an diesem Tag durchgerungen hatte. Es sei, so Seifert, nicht die Absicht ihrer Partei gewesen, „die Einmaligkeit des Holocaust in Frage zu stellen“ und den demokratischen Rechtsstaat mit dem Naziregime zu vergleichen.

SPD und Bündnis 90/Grüne reichte Seiferts Erklärung nicht aus; sie hielten an ihrem Vorhaben fest. Eine „klare und unmißverständliche Distanzierung von Pöppels Rede konnte ich in Ihrer Stellungnahme nicht erkennen“, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Senftleben. „Solange sie sich dazu nicht durchringt, ist sie nicht mehr tragbar“, unterstützt ihn Oliver Schruoffeneger von der Fraktion Bündnis 90/ Grüne.

Die Reps ihrerseits sind mittlerweile mit zwei Anträgen vor das Verwaltungsgericht gezogen. Der eine richtet sich gegen die Entschließung vom 13. April, in der auch die „Ächtung rechtsradikaler Parteien“ gefordert wird, der andere gegen den Abwahlantrag.

Eine Mehrheit gegen die Rep- Stadträtin ist jedoch nicht in Sicht. 30 von insgesamt 45 Stimmen in der BVV wären dazu am 17. Mai bei der Abstimmung nötig. Doch SPD und Bündnis 90/Grüne zählen zusammen nur 20 Verordnete. Notwendig wäre die Unterstützung der CDU, doch die hält sich bedeckt. „Wir überlegen noch“, meint Fraktionsgeschäftsführerin Ingeborg Kortleben. Für Ingeborg Seifert, der sie aus ihrer Arbeit als Vorsitzende des Sozialausschusses der BVV bislang nichts vorzuwerfen habe, täte ihr der Vorgang „unendlich leid“. Sie sei nie mit „rassistischen oder ausländerfeindlichen Äußerungen aufgefallen“. Es müsse auch rechtlich geprüft werden, ob Seifert als Stadträtin für die Worte eines Fraktionsmitglieds ihrer Partei einstehen muß. Severin Weiland