Schlimmes tun, um Schreckliches zu beenden?

■ Betr.: „Was haben wir getan!“ von Daniel Cohn-Bendit, taz vom 20.4.94

Indien, Februar 91: Ölkrieg! Indien kann kein Öl mehr vom Irak mit Rupies kaufen, muß sich mit Hartwährung auf dem Weltmarkt eindecken. Indische Gastarbeiter verlieren ihre Jobs am Golf, die Devisen fehlen ihren armen Familien und dem Land. Die Touristenströme bleiben wegen der Kriegsnähe aus, wieder keine Devisen, kein Öl. Busse, Züge, Flüge werden gestrichen, das Transportsystem bricht zusammen.

Was haben wir getan? Kuwait brennt: die gigantische Umweltkatastrophe! Ein stinkendes Gemisch aus Öl und Ruß regnet sich u.a. im Himalaya ab und verseucht das Trinkwasser einer Milliarde Menschen und unzähliger Tiere am Indus und Ganges. Ich gehe ins Goethe-Institut: auch Brandt und Schily befürworten den gerechten Krieg. Schlimmes tun, um Schreckliches zu beenden? Das arme Indien leidet. Saddam regiert weiter, das Massaker an den Kurden dauert an, der Scheich von Kuwait lebt wieder in Saus und Braus, die reichen USA verdienen prächtig. Bush, Thatcher und die Rüstungsindustrie jubeln. Der Krieg als Mittel der Politik ist endlich wieder salonfähig. Kohl drängelt nach dem ersten Einsatz – und die Linke läßt sich vor diesen Karren spannen: nun auch D. Cohn-Bendit, und die Schlagzeile der taz sehnt sich täglich nach den Bomben der UNO. Wollt Ihr den totalen Krieg?

Wie wär's mit einem Angriff gegen China angesichts der Besetzung und des Völkermordes in Tibet? Hätten wir doch den Tschechen 68 mit einem kleinen Overkill geholfen! Wir sollten es tun! Am besten beginnen wir im eigenen Land und bitten die Staatengemeinschaft, unsere Mitbürger ausländischer Abstammung militärisch vor dem Rassismus zu schützen. Nein? Lieber wieder gegen ein kleines Land, ohne diplomatische Verwicklungen, ohne Eskalation wie damals, als in Sarajevo ein Herzog verstarb. Gerhard Fenzl, Kaufbeuren

Niederschmetternd und beschämend sind für mich die Reaktionen der sogenannten Friedensbewegung und großer Teile der „linken“ Öffentlichkeit, die die Bosnier längst abgeschrieben haben und sich durch ihr „Geschrei“ lediglich genervt fühlen, statt selbst wenigstens einen massenhaften „Aufschrei“ zu probieren.

[...] Für mich gibt es gegenüber dem Völkermord in Bosnien nur drei moralisch vertretbare Alternativen:

1. Militärisches Eingreifen mit allen Mitteln, um die Aggression der Völkischen zu stoppen. (Wahrscheinlich hätte eine wirklich glaubhafte Drohung schon gereicht.) Wenn man das nicht will, dann wenigstens:

2. Den Opfern der Aggression eine wirksame Selbstverteidigung ermöglichen (Aufhebung des Waffenembargos). Wenn man das auch nicht will, dann aber:

3. Formelle Kapitulation der Weltgemeinschaft vor den völkischen Aggressoren gegen Zusicherung des Vollzugs der „ethnischen Säuberungen“ auf unblutige Weise (Verzicht auf Massenmord und -vergewaltigung). Evakuierung aller Bosnier mit Hilfe der UNO nach Europa oder USA, um sie vor der Ausrottung zu retten und Ächtung der „Sieger“ für alle Zeiten. („Aktion Schindler“). [...] Otto Cramer, Seevetal

Daniel Cohn-Bendit behauptet, daß der Preis für Hitlers Niederlage die Bombardierung Dresdens gewesen sei. Das ist historisch falsch. Der Terrorangriff auf Dresdner Wohngebiete, Kirchen, Schloß usw. am 13. Februar 1945 war ein barbarischer Akt, der gar nichts zur schnelleren Beendigung des Krieges beigetragen hat. Kasernen blieben bewußt von der Bombardierung verschont, da man sie ja noch brauchte. Auf fliehende Menschen, die, durch Phosphor brennend, versuchten, in die Elbe zu springen, wurde hingegen aus Tieffliegern mit Maschinengewehren geschossen. [...] Sebastian Kranich, Leipzig

[...] Die immer stärker werdende Sympathie von ehemals Linken für die militärische Endlösung aller Fragen, die zu kompliziert für ihre nur noch in Entweder-oder-Kategorien denkenden Hirne sind, feiert in Cohn-Bendits Artikel fröhliche Urständ, allerdings nur insofern, als er den Schein zu wahren versucht, besonders „Undenkbares“ zu sagen. Aber was er da sagt, die Verlängerung der Kriegspropaganda, die täglich von Sabine Christiansen bis Ruprecht Eser im Staatsfernsehen wohlfeilgeboten wird, ist doch leider längst schon Common sense. Als ewiggestriger Pazifist kann man sich da nur darüber freuen, daß die Herrschenden immer noch jene seltsame Angst vor der eigenen Courage haben und es statt der medienwirksamen und Cohn-Bendits und Consortens Depressionen kurierenden Veranstaltung eines Pale-Massakers bei gelegentlichen Abschüssen serbischer Überflieger belassen. Jörg Meyer, Kiel