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Südafrikas Wahl-Chaos

■ Walergebnis immer weiter verzögert / Führende weiße Minister sollen bleiben

Johannesburg (taz) – Das endgültige Ergebnis der ersten demokratischen und allgemeinen Wahlen in Südafrika liegt immer noch nicht vor. Laut einer Überschlagsrechnung hat jeder der 50.000 Stimmenzähler seit Wahlende durchschnittlich genau eine Stimme pro Stunde ausgezählt. Die erste Sitzung der neugewählten 400köpfigen Nationalversammlung mußte bereits von Freitag auf Samstag verschoben werden. Es kann nicht einmal als sicher gelten, daß das Wahlergebnis bis zur geplanten Amtseinführung von Mandela am kommenden Dienstag vorliegt.

Die neueste Verzögerung kommt aus der Provinz Natal, wo erst ein Drittel der Stimmen gezählt sind. Auf Verlangen der konservativen Schwarzenorganisation Inkatha müssen die Zettel aus dem riesigen Township Umlazi bei Durban neu gezählt werden. Der Grund: Der ANC kam auf 75 Prozent der Stimmen. Der ANC wiederum legte massive Beschwerde gegen Inkatha vor.

Aber hinter den Kulissen laufen nicht nur die Vorbereitungen für die Amtseinführung von Nelson Mandela zum ersten schwarzen Präsidenten des Landes auf Hochtouren. Das Gerangel um Ministerposten und Kabinettsverantwortlichkeit ist ebenfalls in vollem Gange. Nachdem Mandela und der scheidende Präsident Frederik W. de Klerk sich am Dienstag zu einem vierstündigen Gespräch trafen, scheint sicher, daß der bisherige Verteidigungsminister Kobie Cotzee seinen Posten behalten wird. Mandela schätzt den Politiker aus seiner Zeit im Gefängnis. Er diente damals als Mittelsmann bei Verhandlungen mit der Regierung. Auch der Posten des bisherigen Finanzministers Derek Keys scheint unangefochten. Pik Botha, der längste amtierende Außenminister der Welt, aber kämpft immer noch darum, auch unter Nelson Mandela auf seinem Posten zu bleiben. Er erfreut Südafrika mit Zitaten aus alten Reden, um zu beweisen, daß er immer schon gegen Apartheid war.

Unklar ist, ob der frühere Gewerkschaftschef Jai Naidoo den von ihm angestrebten Posten eines noch zu schaffenden Ministeriums für Wiederaufbau und Entwicklung erhält. Auch in der wohl schwierigsten Frage, die Mandela entscheiden wird, besteht noch keine Klärung: Thabo Mbeki, der sich zu Mandelas Kronprinz aufbauen will, hat eine Bitte von ANC-Generalsekretär Cyril Ramaphosa abgelehnt, auf eine Kandidatur um das Amt des Vizepräsidenten zu verzichten. Auch Ramaphosa hegt Ambitionen, dereinst Mandelas Nachfolge anzutreten. Willi Germund

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