Gefangene beharrlich gepflegter Skepsis

■ Bis zur letzten Minute vor Unterzeichnung des Gaza-Jericho-Abkommens zwischen Israel und der PLO gestern in Kairo wurde um die Details noch gefeilscht. Und genau das hat manche Israelis und...

Bis zur letzten Minute vor Unterzeichnung des Gaza-Jericho-Abkommens zwischen Israel und der PLO gestern in Kairo wurde um die Details noch gefeilscht. Und genau das hat manche Israelis und Palästinenser in ihren Zweifeln bestärkt.

Gefangene beharrlich gepflegter Skepsis

Mit Spannung verfolgten Israelis und Palästinenser gestern morgen vor ihren Fernsehern die dramatische Unterzeichung des Autonomieabkommens in Kairo. Nach dem Auf und Ab vieler Verhandlungsmonate und den vielen Toten, die es in dieser Zeit in den besetzten Gebieten und in Israel gegeben hat, war die Stimmung an dem großen Tag weder in Israel noch in den besetzten Gebieten besonders euphorisch. Die beim Festakt auf offener Bühne bis zur letzten Sekunde sichtbaren scharfen Differenzen zwischen dem PLO-Vorsitzenden Jassir Arafat und dem israelischen Ministerpräsidenten Jitzhak Rabin haben viele Zeugen dieses einzigartigen und ungewöhnlich peinlichen Schauspiels in ihren Zweifeln bestärkt.

Auch die während der Unterzeichnungszeremonie begonnene Entlassung von 2.500 palästinensischen Gefangenen aus israelischen Gefängnissen, von Israel als vertrauensbildende Maßnahme gedacht, wurde während des Beinahe-Eklats in Kairo unterbrochen und erst später fortgesetzt. Nachdem sich die Spannung gelöst hatte, sorgte vor allem diese große Amnestie schließlich dafür, daß sich die Stimmung in den besetzten Gebieten an diesem historischen Tag doch noch hob. Seit gestern wartet man nun in Jericho und im Gaza-Streifen auf die Ankunft der ersten Kontingente der palästinensischen Polizei und auf den Abzug der israelischen Truppen, der bis zum Monatsende erfolgen soll.

Die geteilten Meinungen der Israelis wurden vor allem von „Peace Now“ und von den Siedlern manifestiert. Während die israelische Friedensbewegung am Rande des Gaza-Streifens einen Festakt organisiert hatte, besetzten Siedler die seit langem geschlossene Synagoge in Jericho. „Peace Now“ feierte „zu Ehren des Abzugs israelischer Soldaten aus Gaza und zu Ehren der ersten Schritte zur notwendigen Separierung Israels von den besetzten Gebieten“, wie die Gruppe erklärte. „Wir fordern alle Seiten auf, das Momentum des Prozesses aufrechtzuerhalten, bis ein umfassender Frieden vertraglich gesichert werden kann.“

Derweil vertrieben in Jericho israelische Polizisten über hundert Siedler, die sich gestern morgen aus Protest gegen die Vertragsunterzeichnung in der dortigen Synagoge niedergelassen hatten. Unter der Führung eines Abgeordneten der Nationalreligiösen Partei hatten sie die israelischen Polizeisperren vor dem Autoniomiegebiet nahe dem Jordan umgangen und waren nach einem Fußmarsch durch die Wüste in der Stadt angelangt. Ein Großteil wurde nach der polizeilichen Räumung des Gotteshauses festgenommen und verhört.

Tausend Rabbiner beteiligten sich an einer Jerusalemer Protestversammlung der „Organisation zionistischer Rabbiner“ und verabschiedeten eine Protestresolution. Das jüdische Volk fühle sich durch Regierungsabkommen nicht gebunden, welche das Recht auf Eretz Israel preisgeben.

Dissens zeigte sich auch in den offiziellen Reaktionen israelischer Politiker. Staatspräsident Ezer Weizmann würdigte das Ereignis in einer Ansprache und wies darauf hin, daß „wir noch einen langen Weg bis zum Frieden vor uns haben“. Israelische Oppositionsparteien haben derweil nach Ablehnung ihrer vorgestern gestellten Mißtrauensanträge einen Gesetzesvorschlag zur Auflösung der gegenwärtigen Knesset und zum Abhalten von Neuwahlen eingereicht.

Während sich im Autonomiegebiet von Jericho keine jüdischen Siedlungen befinden werden, trifft Israel jetzt umfangreiche Maßnahmen zum Schutz der Siedlungen im autonomen Gaza-Streifen. Die Sicherheit der etwa 4.000 Siedler soll mit dem Bau elektronisch gesteuerter Absperrungsanlagen verbessert werden. Solche Zäune werden um jede der insgesamt 19 Siedlungen errichtet. Der Verkehr zwischen Israel und den Siedlungen soll über israelisch kontrollierte Straßen und zum Teil mit militärischen Eskorten aufrechterhalten werden. Das neue Hauptquartier der israelischen Armee im Gaza- Streifen wird nach Gush Katif im Süden des Gaza-Streifens liegen. Amos Wollin, Tel Aviv