Europarlament: Skepsis gegen Erweiterung bleibt

■ Erweiterungs-KritikerInnen in allen politischen Lagern / Ihr Hauptargument: Die institutionelle Reform der Europäischen Union wird um Jahre verschoben

Straßburg/Berlin (AFP/dpa) – Im Europaparlament zeichnete sich gestern nachmittag eine knappe Mehrheit für die Aufnahme von Österreich, Schweden, Norwegen und Finnland in die Europäische Union ab. Die Sprecher der beiden großen Fraktionen, der französische Sozialist Jean-Pierre Cot und der belgische Christdemokrat Leo Tindemans, sprachen sich während der mehrstündigen kontroversen Debatte für eine Ratifizierung der Beitrittsverträge aus. Vorsichtshalber forderten sie die ParlamentarierInnen auf, geschlossen zu der Abstimmung zu erscheinen. Tindemans selbst äußerte große Vorbehalte gegen die Erweiterung, weil damit die Reform der EU verschoben werde. Die Sozialisten stellen 197 Abgeordnete, die Christdemokraten 162. Bei den Liberalen, die 44 Abgeordnete stellen, dürften ebenfalls die Jastimmen überwiegen.

Gegen eine Ratifizierung äußerten sich vor allem die kleineren Gruppen – von den Grünen über die Rechtsradikalen und die Regenbogenfraktion bis hin zur Koalition der Europäischen Linken, in der vor allem KommunistInnen und LinkssozialistInnen vertreten sind. In diesen Fraktionen mit zusammen rund 90 Abgeordneten ist eine Mehrheit für einen Aufschub des Votums des Europaparlaments. Mit dem Aufschub wollen sie bewirken, daß der Ministerrat verbindliche Zusagen für institutionelle Reformen der Europäischen Union gibt. Vor allem verlangen sie eine Beteiligung des Europaparlaments an der Vorbereitung der für 1996 geplanten Regierungskonferenz über die Entscheidungsmechanismen in der Union. Ohne solche Reformen werde die auf 16 Mitglieder erweiterte Union handlungsunfähig.

Der französische Konservative und Erweiterungsgegner Jean- Louis Bourlanges schlug vor, das Parlament solle die Ratifizierung so lange verweigern, bis der Rat auf seine Forderungen eingehe.

Vor allem Deutsche, Briten und Dänen hatten sich – aus unterschiedlichen politischen Motiven – mit leidenschaftlichen Appellen für ein Ja zur Erweiterung stark gemacht. „Wir dürfen doch die Völker, die zu uns kommen wollen, nicht dafür bestrafen, daß diejenigen, die bereits in der Union sind, ihre Pflicht nicht getan haben“, betonte Sozialdemokrat Klaus Hänsch. Mit dem Beitritt werde ein „riesiger Raum der Freiheit und des Friedens“ geschaffen, der wichtig für die Stabilität in Europa sei, sagte der deutsche Christdemokrat Elmar Brok.

Im Anschluß an die EuropaparlamentarierInnen hat das Wahlvolk das Wort: In mehreren Ländern werden demnächst Referenden zu der Frage „Wollt Ihr in die EU?“ stattfinden.