„Wir sind echte Rechtsradikale“

■ Lübecker Skinheads distanzieren sich von den Brandstiftern

„Jetzt gibt es keine Ausreden mehr“, sagte Lübecks Bürgermeister, Michael Bouteiller (SPD). „Die mutmaßlichen Synagogen-Brandstifter sind ganz normale Jugendliche aus unserer Stadt.“ Seit Montag sitzen vier Männer im Alter zwischen 19 und 24 Jahren wegen Verdachts des fünffachen versuchten Mordes und Brandstiftung in Untersuchungshaft.

Als „simpel gestrickt“ und „reine Nachplapperer“ werden die Jugendlichen von Nachbarn bezeichnet. Nach bisherigem Ermittlungsstand haben sie am 24. März dieses Jahres mit drei Molotow-Cocktails die Synagoge „aus Haß gegen Ausländer und Juden“ in Brand gesteckt. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft sollen sie aus Lübecks rechter Szene kommen.

Vor dem Lübecker Arbeitsamt stehen Frank Weidner* und Holger Behrend*. Beide halten eine Bierflasche in der Hand, haben die Unterarme vollständig tätowiert. „Skinheads“ steht da unter anderem eingeritzt. „Wir sind echte Rechtsradikale“, sagen die 28jährigen. Sie saßen wegen Körperverletzung im Knast. „Klar haben wir Ausländer abgeklatscht.“ Darauf sind sie stolz. Doch die Brandstifter verachten sie. „Wer Frauen und Kinder gefährdet, ist ein Arsch.“

Als Peter Falkhoff* dazukommt, gehen sie in eine Eckkneipe. Eine Deutschlandfahne weht davor im lauen Maiwind. Die Bedienung beeilt sich mit der Bestellung und kassiert sofort. Die drei trinken Bier und Schnäpse, reden laut. „Wir möchten ein sauberes Deutschland.“ Das wichtigste für sie ist ihr Zusammenhalt - wer nicht zur Clique gehört, ist verdächtig.

Die vier mutmaßlichen Brandstifter gehörten nach den Worten der drei Skinheads nicht dazu. „Ich habe die vor ein paar Monaten mal getroffen“, sagt Holger Behrend. „Das sind Spinner, wollten immer die Größten sein.“ Frank Weidner rümpft seine schiefe Nase: „Wir werden von diesen Arschlöchern in die Scheiße gezogen.“ Sie sind sich einig: „Wenn wir gegen Ausländer vorgehen, dann gegen die Männer - das sind Gegner.“ Die Brandstifter sollten lebenslänglich eingesperrt werden. Peter Falkhoff geht noch weiter: „Ich hätte sie zur Polizei geprügelt, wenn ich's gewußt hätte.“

Sie reden in Schlagworten. „Ausschwitz-Lüge“, „die Deutschen sind Fremde im eigenen Land“, Ehre und „Verteidigung der eigenen Familie“ kommen darin vor. Gewalt ist für sie eine selbstverständliche Ausdrucksmöglichkeit, so etwas wie Diskutieren mit anderen Mitteln. Sie sind gefährlich, wenn sie sich bedroht fühlen. Und im Moment fühlen sie sich von Ausländern bedroht.

Dennoch: „Von Anschlägen wird bei uns nicht gesprochen.“ Wie lange noch? „Wenn wir alles sagen würden, könnten wir hier nicht mehr in der Kneipe sitzen.“ Die drei passen in das Klischee von Rechtsradikalen. Ein bißchen schmuddelig, ein bißchen betrunken und gewaltbereit. Und sie fallen auf, weil sie ihre Ansichten mit Fäusten durchsetzen wollen.

Von anderen wird dagegen nicht gesprochen. Wie beispielsweise vom Lübecker Segelverein, der gerüchteweise bei der schleswig-holsteinischen Landtagswahl Anfang des Jahres geschlossen die Republikaner gewählt haben soll.

Torsten Schubert

*Alle Namen geändert