Durchs Dröhnland
: Tollen von hier bis zur Theke

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Wenn die Gehirnwindungen knirschen, fühlt sich der Deutsche oft am wohlsten. Tatsächlich ist es so, daß deutscher Core meist am besten klingt, wenn er hochintellektuell und somit natürlich auch hochkompliziert daherkömmt. Dafür sorgten früher gerne die Geteilten Köpfe, die sich ausufernd an solchen Vorgaben wie denen der Minutemen abarbeiteten. Mit Abstrichen gilt dies auch für die Militant Mothers. Und jeweils einer aus diesen beiden Bands findet sich nun bei Buckethead. Vervollständigt zum Quartett lassen die Hannoveraner ein Geklöppel, Gekreische, Gewimmel und Gezirpe erklingen, das einen von Moment zu Moment von den jubilierenden Höhen des Pop in die grabenden Tiefen des Noise schickt. Und als wenn das noch nicht Verwirrung genug wäre, taucht da auch noch immer mal wieder Trompete auf, findet fieser Metal statt oder schlichtes nervtötendes Gefriemel. Victim's Family müssen sich warm anziehen.

Heute, 22 Uhr, Schoko-Laden, Ackerstraße 169–170, Mitte.

Einer der meistbeschäftigten Mietmusiker der Stadt ist Wolfram Wahner. Tätig für Western Union, Queen Yahna, Gary Wiggams, aber auch für City oder Andre Herzberg verdient er sich die Stulle – die Leberwurst drauf soll sein Soloprojekt Wahner & Band beisteuern. Mit seiner ebenfalls recht renommierten Begleitband produziert er einen strikt deutschsprachigen, schwer blueslastigen Krautrock, der in seinen besten Momenten an Birth Control gemahnt. Am niedlichsten aber immer dann, wenn man meint, Rio Reiser singen zu hören.

Heute, 22 Uhr, Tacheles, Oranienburger Straße 53–56, Mitte.

Wieder mal „Woman on Stage“. Diesmal mit Zest, die einen klar strukturierten Funk mit satten Bläsersätzen spielen, dem man eine ganze Portion Dreckigkeit mehr wünschen würde. Dafür spielen die neun Frauen aber schön exakt auf den Punkt, treffen den Ton, machen aber oft einen allzu akademischen Eindruck zwischen Schweinefunk und Groove-Gelehrtentreffen.

Heute, 6.5., 22 Uhr mit Schön Blond im Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg.

Was kommt raus, wenn sich zwei etablierte Techno-Produzenten mit einem Hardcore-Gitarristen und einem des Rappens mächtigen Vokalartisten zusammentun? Die Frage klingt interessanter als die Antwort, die Headcrash anzubieten haben. Die belatschen eigentlich nur den inzwischen doch schon recht ausgelutschten Crossover-Pfad zwischen HipHop und Core, das allerdings mit mächtigen Stampfern. Die erwarteten Dance- Grooves sind rar gestreut und werden meist nur gimmickmäßig zur Auflockerung eingestreut, aber dafür haben wir eine der besten aktuellen deutschen Core- Kapellen mit den garantierten und so beliebten Hirnwegblasqualitäten bei allerhöchstem Schweißfaktor.

Heute, 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg.

Grenzbereiche ausgetestet zwischen Theater, Lesung, Tanz, Musik und Performance werden auf der 13. Avantgardenacht. Da haben die zwölf Gruppen und Solisten jeweils nur zehn Minuten zur Verfügung, was die Chose immerhin abwechslungsreich machen dürfte.

Heute und morgen ab 20 Uhr, Statthaus Böcklerpark, Prinzenstraße 1, Kreuzberg.

Stell Dir vor, Du schläfst ein auf der Musikbox und wachst wieder auf, und plötzlich tragen alle Frauen Petticoats und die Männer Tollen von hier bis zur Theke. Während du auf einer Pfütze Pomade ausrutscht, registrierst Du den Pianisten auf der Bühne. Seine Name ist Freddie Finger's Lee, er spielt den Rock 'n' Roll. Doch dann wachst du wirklich auf und stellst fest, daß Du nur im Kino beim neuen Beatles-Film eingeschlafen warst, also fährst Du in den nächsten Club. Dort spielt derselbe Mann, nur ist er inzwischen 57 Jahre alt, doch die Musik ist dieselbe. Er hat zwar gespielt mit allen Größen und in allen großen Läden („Star Club“ inklusive), aber zur Legende hat's nicht gereicht. Ein Mann auf Gnadenbrottortour, die letzten tapferen Teds wird's freuen.

Morgen, 21 Uhr mit Panhandle Alks, Huxley's Junior.

Also wenn es sowas wie unerotische Musik gibt, dachte ich immer, dann ist das Speed-Metal. Sodom sind da wohl anderer Meinung und erweitern die im Genre übliche blutige Splatter-Symbolik mit ihrer neuen CD per Covergestaltung hin zum S/M. Musikalisch alles beim alten und weiterhin das Schnellste in deutschen Landen, Verschnaufpausen dünnt gesät. Im Gegensatz zum Rest glänzen Sodom aber mit Distanz zum eigenen Schaffen und humorigen Einlagen. Gern wird mal ein deutschsprachiges Schunkelliedchen eingestreut. Der Gipfel wird live mit einer Coverversion von Udo Jürgens „Aber bitte mit Sahne“ erreicht – jener völlig zu Unrecht vergessenen Demut-für- Diabetiker-Hymne.

Am 8.5., 21 Uhr, mit Warpath in Huxley's Neuer Welt.

Daß man nicht selbst steinalt zu sein braucht wie Dead Moon, um zünftigen Garagenrock zu machen, beweisen Sinister Six. Mit Liebe zum Detail reproduzieren sie einen Sound, den es damals in den 60ern so wahrscheinlich nie gegeben hat, aber das Quartett aus Seattle klingt exakt wie dreißig lange Jahre zugestaubtes Vinyl. Die Authentizität, die den Jungspunden offensichtlich fehlt, machen sie wett mit überbordenden Gitarrenriffs. Und der urplötzliche Kultstatus von Bands wie Girl Trouble sollte auch Sinister Six weiterhelfen.

Am 11.5., 20 Uhr, mit Terrorgruppe im Trash, Oranienstraße 40, Kreuzberg. Thomas Winkler