Unheilige Allianz

■ Die deutschen Mediengiganten wollen zusammenarbeiten - Droht mit der "Media Service GmbH" ein Pay-TV-Monopol?

Die Telekom, Bertelsmann, der Münchner Medienzar Leo Kirch und möglicherwiese das ZDF wollen eine „Media Service GmbH“ gründen. Dieses Unternehmen soll in Zukunft vor allem Dienstleistungen für Pay-TV-Betreiber anbieten. Der Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten, Hans Hege, befürchtet ein Monopol von bislang unbekanntem Ausmaß und fordert gesetzliche Regelungen.

taz: Was haben Sie gegen die Aktivitäten der „Media-Service“?

Hege: Kirch und Bertelsmann dominieren schon die privaten Fernsehsender. Jetzt wollen sie auch noch den Zukunftsmarkt des digitalen Fernsehens beherrschen. Dazu kommt die Telekom, die den größten Teil der Kabelnetze und noch ein Monopol beim Telefon hat, das beim digitalen Fernsehen künftig viel mehr genutzt werden kann.

Diejenigen, die die Programme anbieten, hängen mit demjenigen zusammen, der die Programme verteilt. Da besteht die Möglichkeit, daß sie ihr eigenes Produkt am ehesten fördern werden. Man kennt das ja schon aus den Supermärkten, wo es wesentlich für den Verkauf eines Produkts ist, wo es angeboten und präsentiert wird. Und für bestimmte Präsentationen bezahlen die Hersteller ja auch eine ganze Menge Geld.

Nehmen Sie zum Beispiel ein künftiges Pay-Sportprogramm: Wenn das als Paket mit Sat.1 und RTL zu einem relativ günstigen Preis angeboten würde, dann fände es sicher viele Abnehmer. Wenn Sie es dagegen mit weniger attraktiven – zum Beispiel fremdsprachigen – Programmen anbieten, dann werden weniger Kunden dieses Programm abonnieren. So entscheidet hier die Art der Präsentation auch darüber, ob ein Angebot Erfolg hat.

Was kann man dagegen tun?

Wenn bei dem Monopol der Telekom der herkömmliche Grundsatz der Neutralität des Netzes und die Trennung von Netz und Nutzung gewährleistet wäre, könnte man das ja noch hinnehmen. Aber jetzt verwischt sich die Neutralität technischer Dienstleistung, indem Kirch und Bertelsmann sich der Ressourcen der Telekom bedienen wollen. Das ist eine ganz unheilige Allianz, die da entsteht. Es müssen gesetzliche Regelungen her, die einen Mißbrauch einer solchen Monopolsituation verhindern.

Selbst die Amerikaner, die ja sonst immer sehr für freien Wettbewerb sind, würden es Programmveranstaltern wie Kirch und Bertelsmann nie erlauben, in diesem Umfang auf die Nutzung von Kabelnetzen Einfluß zu nehmen.

In naher Zukunft soll es 500 Kanäle geben. Brauchen wir im „audiovisuellen Kiosk“ noch eine Aufsicht, oder müssen die elektronischen Medien dann nicht wie der Zeitschriftenmarkt behandelt werden, der ja auch nicht kontrolliert wird?

Bei der Aufsicht kann es nicht darauf ankommen, welches Netz genutzt wird, ob Telefon, Breitbandnetz oder drahtlose Verbindungen, sondern welches Angebot darüber verbreitet wird. Bei der Diskussion um den Begriff „Rundfunk“ kommt es künftig weniger auf Technik an als auf die Funktion. Die entscheidende Frage ist doch die nach den publizistischen Inhalten. Versuchen Programme, die Meinungsbildung gezielt zu beeinflussen? Das muß gerade auch bei unterhaltenden Medienprodukten überprüft werden.

Denkbar ist ja auch eine elektronische Zeitung, in der Artikel via Datenleitung individuell verfügbar werden. Gerade wenn man die Computernutzung sieht, kommen neue Einflußmöglichkeiten dazu. Es heißt zwar „individueller Abruf“, aber niemand wird in der Lage sein, aus der großen Fülle von Informationen ohne eine gewisse Steuerung, ein Menü, zu Inhalten zu kommen. Und auf diesem Wege wird auch Einfluß ausgeübt.

In letzter Konsequenz laufen Ihre Forderungen darauf hinaus, daß die Medienanstalten sogar noch die Kontrolle über die Programme in den Kinos oder über Datenbanken haben wollen, weil das ja auch Medieninhalte sind.

Wir wollen dort die Kontrolle haben, wo auf elektronischem Wege Angebote in einer Weise gebündelt sind, die eben nicht der freien Struktur entspricht, die jetzt zum Beispiel der Kinovertrieb noch hat.

Und was die Datenbanken angeht, da glaube ich schon, daß nicht unbedingt die Landesmedienanstalten, aber die Ordnungspolitik insgesamt die Aufgabe hat, offene Netzstrukturen zu gewährleisten. Wie mache ich die Datenautobahn so, daß auch jeder wirklich drauf fahren kann und daß eine freie Diskussion stattfindet? Dazu gibt es in den USA schon lange Diskussionen.

Wir werden sicher nicht Kontrolle in dem Sinne ausüben, daß jeder Inhalt betrachtet werden muß. Aber nehmen Sie die Beispiele, die wir heute schon im Computerbereich haben: Uns kann es doch nicht egal sein, wenn sich rechtsradikale Gruppen der Computernetze bedienen oder wenn Kinderpornographie über Bildschirmtext verbreitet wird. Interview: Jürgen Bischoff