Zwischen den Rillen
: Thelma & Louise

■ Frauen am Rande des amerikanischen Road Movie: Bonnie Raitt und Rory Block

Es gibt ziemlich viele unschöne Formulierungen und falsche Annahmen unter Gottes freiem Himmel. Rhythm & Blues als „erdig“ zu beschreiben ist peinlich. Frauen über vierzig als „ältere Damen“ zu bezeichnen, ist schlichtweg ungalant. Und die Luft auf dem Gipfel des Erfolges muß auch nicht zwangsläufig dünn sein.

Die Amerikanerin Bonnie Raitt singt und spielt seit gut fünfundzwanzig Jahren Rhythm & Blues, ist jetzt vierundvierzig und rundum erfolgreich, wenn man die Zahl ihrer Grammys und platinveredelten Alben als Maßstab ansieht. „Erdig röhrende, erfolgsneurotische Dame“ wäre so falsch und blöd wie ein Amen in einer Moschee. Bonnie Raitt versteht sich als prägendes Vorbild, als weiße Frau, die eine hochgeachtete Slide-Gitarristin ist, eine Mixtur aus – nicht sehr rauhem – Rhythm & Blues, Jackson- Brown-Pop und Folk verfertigt. Raitt behauptet, medial nicht ausbeutbar zu sein: „I'm not a Sexsymbol. I just play.“ Was natürlich nicht stimmt. Im Zweifelsfall wird so etwas puritanisch (miß)verstanden, das amerikanische Fanzine Relix lobte ihr Image ganz ernsthaft als „clean and sober“.

Raitt sieht sich mehr als Live Performerin (im Mai in Deutschland) denn Studiomusikerin. Die integre Politaktivistin und kollegiale Supporterin lebt die meiste Zeit auf Tour, sorgt sich vor allem darum, wo und wann sie den nächsten Gig bestreiten wird. Sie lernte ihre Lektionen bei den old Masters of Blues, Sippie Wallace, Muddy Waters und Buddy Guy.

Deren ursprüngliche Schule allerdings hat sie im Mainstream der Geschmäcker zu Chart-Kompatibilität geläutert, und Puristen wird wohl enttäuschen, was Raitt so zu sagen hat (und wie sie das tut). Vor allem und immer wieder Lieder über Liebe, die kommt und geht, böse Kerle, die alle Liebe kassieren und dann abhauen, über verregnete Nächte, die frau vergeblich wartend am Telefon verbringt. Lieder, zu denen der schauspielernde Ehemann Michael O'Keefe schon mal die Lyrics beisteuert. „True hearts in a world were love is dying“ werden da ganz ernsthaft beschworen.

Mitunter begibt sich Raitt, die die Qualität eines Songs für das Wichtigste überhaupt hält, auf Nashville-Level. Nur fünf der zwölf Titel von „Longing in their Hearts“ stammen aus Raitts Feder. Die restlichen haben unter anderen Richard Thompson und Paul Brady beigesteuert.

Ein Album voller all american spirit ist ohne Zweifel auch „Angel of Mercy“ von Rory Block. Rory Block – hier möchte man einfach nur „wunderbar“ sagen und nichts weiter begründen müssen. Die Vierundvierzigjährige lebt ebenfalls in „constant touring“ on the road. Der fiedelnde und Banjo spielende Vater setzte sie schon mit zwölf als Begleitung auf Folkfestivals ein. Rory wurde mit Son House, Bob Dylan und John Sebastian groß – und haute schließlich mit fünfzehn an der Seite Stefan Grossmans von zu Hause ab. „I got the music in my blood and I'm rolling on“, singt sie jetzt, neunundzwanzig Jahre später, in „I'll be gone“.

Der große Durchbruch war der New Yorker Gitarristin und Sängerin bisher nicht vergönnt – Blues ist eben nicht kommerziell, behaupteten schon Rorys erste Plattenbosse. Bei aller betonten künstlerischen Kompromißlosigkeit ist „Angel of Mercy“ denn auch reichlich weit entfernt von jenem modifizierten Mississippi- Delta-Blues, für den Rory Block in ihren Anfängen stand.

„Angel of Mercy“, das sind acht original Block-Songs und einer von JD Martin, etliche unverhohlen den Weihen eines möglichen Poperfolgs zustrebend, manche (wie „I'll be gone“) Country-orientiert, dabei wundersam eigensinnig bleibend; dunkel geflüstert, tremoliert, herzzerreißend dahingefleht und doch nicht verkitscht so wie der Titelsong über „Sweet Laurain“, die so lange allein war und sich wieder verliebt hat. Geschichten über jene Erlösung aus dem Alltag, die Liebe nun mal ist, große (Geld-)Sorgen, „ältere“ Frauen oder fette, miese und auch noch reiche Kerle gehen offenbar auf ein Erfahrungspotential zurück, dem man nur zu gern die Wahrhaftigkeit abnimmt. Alles riecht ein bißchen nach Pick Up Caddy, fettigen Diners und noch nicht abbezahlten Häuschen, aber auch immer noch nach dem legendären land of the free, nach Unterwegssein – intakte, wenn auch abgeschabte Mythen.

Ein Beispiel für guten, alten Pragmatismus stellt „A Father and two sons“ dar, ein Auftragswerk zum Gleichnis vom verlorenen Sohn aus Lukas 15, das von der American Bible Society als Video produziert wurde. Rory Block packte die erstbeste Gelegenheit, auf MTV zu erscheinen, beim Schopfe und beschäftigte, wie schon auf dem Vorgängeralbum „Ain't I a Woman“, ihren Sohn Jordan Block Valdina als Vokalisten. Wenn da nicht in der Stille ein schönes Talent blüht ..., aber wiederum auch kein Wunder: bei der begnadeten Mutter. Anke Westphal

Bonnie Raitt: „Longing in their Hearts“ (Capitol Records/ EMI)

Rory Block: „Angel of Mercy“ (Zensor/ EFA)