Weltkriegsdeserteure: Bis heute geächtet

■ Die Todesrichter blieben verschont

Die Geschichte der Opfer der NS-Militärjustiz nach 1945 ist die Geschichte gesellschaftlicher Ächtung. Den Deserteuren, Wehrdienstverweigerern und „Wehrkraftzersetzern“ werden bis heute Rehabilitierung und Entschädigung vorenthalten. Statt ihnen den berechtigten Status von zumindest „passiven“ Widerständlern zuzugestehen, weil sie sich weigerten, am Aggressionskrieg weiter teilzunehmen, gelten sie bis heute als zu Recht Verfolgte. Ihre ehemaligen Richter hingegen dürfen sich rühmen, daß kein einziger von ihnen jemals von einem bundesdeutschen Gericht wegen seiner kriegsrichterlichen Tätigkeit rechtskräftig verurteilt wurde.

Entschädigt wurden die Opfer, von denen heute nur noch einige hundert leben, nur nach „Einzelfallprüfungen“ und in „Härtefällen“. Wiedergutmachungsämter und Gerichte hatten dabei den höchstrichterlichen Segen: dreimal entschied der Bundesgerichtshof in den 50er und 60er Jahren gegen die Betroffenen. Der BGH fühlte sich dem „übergeschichtlichen Staatswohl“ verpflichtet, wie der Historiker Detlev Garbe schreibt. Weil das Verbrechen quasi staatsbürgerliche Pflicht war, konnte die Verweigerung kein Widerstand sein. Erst 1992 erklärte das Bundessozialgericht (BSG), daß die NS-Wehrmachtsjustiz nicht länger als Rechtsprechung respektiert werden könne. Unrecht sei „nicht nur in problematischen Einzelfällen geschehen“.

Die Urteile und Todesurteile gegen die Opfer der NS-Militärjustiz (50.000 Todesurteile wurden verhängt, 20.000 vollstreckt) sind aber noch immer nicht vom Bundestag zu Unrecht erklärt worden. Ein entsprechender Antrag der SPD, der den Deserteuren die Achtung aussprechen und die Entschädigung ermöglichen soll, dürfte keine Mehrheit finden. Die CDU wird den Antrag, der im Juni abgestimmt wird, nicht unterstützen und auch keinen eigenen Antrag einbringen. kotte