Europarlament gegen Neofaschisten in Italien

■ Rom protestiert gegen „Belehrung“

Rom (taz) – Leise geflüstert hatten es Emissäre des designierten italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi schon seit Tagen: Neben der Aufnahme von vier neuen Mitgliedern in die Europäische Union (Norwegen, Österreich, Finnland und Schweden) werde es am Mittwoch bei der Sitzung des Europaparlaments in Straßburg auch um die Gefahr eines neuen Faschismus in Italien geben. Die Erweiterung der Union nahm das Europaparlament zähneknirschend hin. Dann beschäftigte es sich auf Antrag der sozialistischen Fraktion mit Italien. „Die Regierung muß den grundlegenden Werten treu sein“, die nach Faschismus und Nazismus am Ursprung der Gemeinschaft standen, heißt es in dem an den Staatspräsidenten in Rom gerichteten Antrag, der mit 179 zu 178 Stimmen angenommen wurde.

Staatsoberhaupt Scalfaro ließ sofort, die neugewählte Parlamentspräsidentin Pivetti am Morgen danach eine scharfe Protestnote nach Straßburg abgehen – er verbitte sich „jede Belehrung über die von uns einzuschlagende Politik“, erklärte der Präsident, und Frau Pivetti zweifelte dann ausdrücklich die Kompetenz des Europaparlaments an, solche Entschließungen zu fassen. Verlegen zeigen sich vor allem die Oppositionsparteien: Sie hatten nach der Wahl eben erst wieder etwas Fuß gefaßt, weil immer mehr Italiener zu bezweifeln beginnen, ob die neue, ganz rechts angesiedelte Regierung aufgrund immer mächtigerer interner Spannungen tatsächlich handlungsfähig sein wird. Die unvermittelte Einmischung der Straßburger Parlamentarier in die laufende Regierungsbildung zwingt die Linke dazu, sich vor Berlusconi als immerhin aus demokratischen Wahlen hervorgagangenem Mehrheitsführer und seine Alliierten als „nirgendwo wegen Verfassungsfeindlichkeit festgestellte Parteien“ zu verteidigen (so L'Unita). Vorbehaltlos verteidigt wurde der Euro-Beschluß lediglich durch die Südtiroler Volkspartei. Ihr parlamentarischer Obmann Riz: „Wir werden gegen jede Regierung stimmen, die auch nur einen Faschisten in ihren Reihen hat.“

Die geschmähten Parlamentarier der „Nationalen Allianz“ – mit der neofaschistischen MSI als Hauptbestandteil – überlegt inzwischen, ob sie aus Protest gegen die Straßburger Resolution nicht ihr Versprechen zurücknehmen soll, ausschließlich Kandidaten in die Regierung zu schicken, die niemals in neofaschistischen Gruppierungen aktiv waren – und „jetzt erst recht“ (so ein Flugblatt) einen waschechten Faschisten präsentieren sollen, „um die nationale Souveränität klarzumachen“. Werner Raith