: Weltenbummler im musikalischen Labyrinth
■ Der Ire Ross Daly spielt kretische und orientalische Musik / Morgen in der W3
Nur wenige Artisten des Weltmusikzirkus können sich mit dem Begriff „musikalischer Kosmopolit“ schmücken. Ross Daly ist einer von ihnen. Der in England geborene Ire wuchs in Japan, Kanada und den USA auf. Später führte ihn der Weg über Indien, Afghanistan und die Türkei nach Kreta. Länger als ein Jahrzehnt blieb der Musiker mit den schulterlangen Haaren auf der Mittelmeerinsel bevor er kürzlich nach Athen zog.
Das musikalische Curiculum Vitae entspricht seinem häufigen Wohnortwechsel. Ross Daly, der Wanderer zwischen den Kulturen, studierte erst Cello und Gitarre und nahm dann für drei Jahre Sitar-Unterricht. Auf seiner Wanderung durch den Orient kam Daly mit einer breiten Palette von Klängen und Instrumenten in Berührung.
Auf Kreta, wo sich seit Jahrhunderten Einflüsse aus unterschiedlichen Himmelsrichtungen gegenseitig befruchten, fand Daly die Voraussetzungen, seine multikulturellen Eindrücke zu verarbeiten. Er lernte die kretische Lyra spielen und verinnerlichte die dortige Musik. Der kretische Ire war schnell der erste Ausländer, der im nationalen Kulturleben akzeptiert wurde. Dalys Musik erschöpft sich aber nicht nur in Klangmustern, die auf den Festen der Insel für Stimmung sorgen. Seine Bilder sind mehr sophisticated. In ihnen findet sich die Mystik der traditionellen orientalischen Musik wieder, aber auch folkloristische Elemente aus dem osteuropäischen Raum.
In der kretischen Hafenstadt Iraklion gründete Daly die Gruppe Labyrinth, in der sich eine Reihe virtuoser Individualisten trafen, die nicht nur aus Griechenland kamen, und deren Instrumentarium den ganzen Raum östlich von Kreta bis hin nach Indien abdeckte. Die musikalischen Reisen der lockeren Formation dienten der Erforschung der Kulturen, die in diesem Raum seit Jahrhunderten miteinander verflochten sind.
Das Wort Labyrinth benutzt Daly als Symbol der Verbindung zwischen Leben und Tod, wobei Sinn und Richtung durch das Streben nach einem bestimmten Ziel geprägt seien. „Der Faden von Ariadne, als Symbol für Wissen, Verständnis und Erkenntnis. Der größte Gegenspieler ist der Minotaurus, das Ego“, erzählt der Kenner der Mythen.
Dalys Lebenslauf hat fast zwangsläufig dazu geführt, daß bei dem Weltbürger nie das Gefühl einer nationalen Identität entstand. Er fühlt sich den jeweiligen regionalen Traditionen verbunden. Traditionen, die zumindest im orientalischen Raum nicht mit „ethnischen Traditionen“ gleichzusetzen sind.
Nikos Theodorakopulos
Morgen, Werkstatt 3, 21 Uhr
Plattentip: Ross Daly & Labyrinth, Eurasia, 2001-Vertrieb
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen