Ossietzky-Preis für Israel Gutman

■ „Heilige Pflicht der Überlebenden“

Oldenburg Als „Heilige Pflicht der Überlebenden“ hat der israelische Historiker Israel Gutman die Erarbeitung der „Enzyklopädie des Holocaust“ bezeichnet. Der Hauptherausgeber des in der deutschen Ausgabe drei Bände umfassenden Werks über Verfolgung und Vernichtung der europäischen Juden erhielt am Donnerstag abend den mit 20 000 Mark dotierten Carl-von-Ossietzky-Preis der Stadt Oldenburg. Der zum sechsten Mal vergebene Preis für Zeitgeschichte und Politik wurde erstmals an einen Ausländer verliehen.

Das ungewöhnliche Lexikon erwecke „Staunen, Schmerz, Ekel und tiefe Scham darüber, was Menschen Menschen antun können“, sagte die Direktorin des NDR-Funkhauses Hannover, Lea Rosh, als Sprecherin der fünfköpfigen Jury. Die Preisvergabe für die Holocaust-Enzyklopädie sei ein wichtiges Zeichen auch angesichts der „Suche nach den kleinen Schindlers“. Es habe keinen nennenswerten deutschen Widerstand gegen die Judenvernichtung gegeben. Der Holocaust sei nur möglich gewesen durch den jahrhundertealten Antisemitismus von Staat, Kirche und Gesellschaft.

In seiner Dankesrede betonte Gutmann, der 1923 in Warschau geboren wurde, der Holocaust sei „kein bloßes Kapitel der Geschichte“, sondern ein „einzigartiges Verbrechen gegen die Menschheit“. Den 1938 an den Folgen der KZ-Haft gestorbenen Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky würdigte er als „Vorbild und Hoffnung vieler Juden“ und als „einen der Wenigen“, die sich dem Nazi-Fanatismus von Anfang an entgegenstemmten.

Das Datum der Oldenburger Preisverleihung hatte für Israel Gutmann besonderen Symbolcharakter. Am 5. Mai 1943 wurde er nach der Niederschlagung des Aufstands im Warschauer Getto verhaftet. Gutman überlebte vier Konzentrationslager und wurde am 5. Mai 1945 aus dem KZ Gunskirchen befreit. dpa