■ Ein „Aristokrat der Steppe“ in Frankreich
: Staatsgeheimnis um einen Gaul

Paris (taz) – Pressekonferenz für ein Pferd: Auf höchstpersönliche Anweisung des französischen Staatspräsidenten François Mitterrand wurde am Donnerstag ein Treffen zwischen dem Hengst „Gengi“ und den Medien arrangiert. In einer Pariser Kaserne dementierte das nervös trippelnde Pferd auf diese Weise alle Gerüchte, wonach es völlig heruntergekommen oder gar beim Abdecker gelandet sei. Der Beweis war nötig, um diplomatische Verstimmungen sowie den Protest der Tierschützer zu unterbinden. „Gengi“ ist nämlich kein gewöhnlicher Gaul, sondern Zuchthengst der seltenen asiatischen Rasse „Akhal-teke“, von der es nur noch rund 3.000 Exemplare gibt.

Der „Aristokrat der Steppe“ – so das Urteil der Fachleute – war Mitterrand vor einem Jahr von seinem turkmenischen Kollegen Saparmurat Nijasow geschenkt worden, als der Franzose ihm einen „Privatbesuch“ abstattete. Das Akhal-teke-Pferd ist das Nationaltier der Turkmenen und ziert auch deren Flagge, seitdem Hammer und Sichel eingemottet wurden. Der fünf Jahre alte „Gengi“ galt in seiner Heimat als eines der schönsten Exemplare seiner Gattung, zudem hatte er bereits einige Rennen gewonnen. Rein kapitalistisch betrachtet, kann der Wert eines Akhal-teke bis zu einer Million Dollar betragen.

Mitterrands Reise nach Turkmenistan hatte auf einmal die Neugier der Franzosen geweckt, die den geschenkten Gaul nie zu Gesicht bekommen hatten. Nachforschungen ergaben, daß die Gabe des turkmenischen Staatschefs für „Gengi“ einen Leidensweg bedeutet hatte: Zuerst einmal wurde das Tier zwei Monate lang in Moskau aufgehalten, weil sanitäre und bürokratische Vorschriften eine Quarantäne verlangten. Als es endlich im Hof des Elysee-Palastes eintraf, war es – Mitterrands eigenen Worten zufolge – in bedauernswertem Zustand: abgemagert und an mehreren Stellen verletzt. Danach verlor sich seine Spur. In den staatlichen Gestüten war „Gengi“ jedenfalls nicht zu finden; angeblich waren deren Veterinäre nicht in der Lage, das seltene Tier wiederaufzupäppeln.

Vor wenigen Tagen fanden Journalisten eine Spur: Angeblich erholte sich das Heißblut in einem prächtigen Schloß, 40 Kilometer außerhalb von Paris. Seither weckt dieses Schloß neue Gerüchte. Offenbar gehört es dem Elysee, doch selbst in dem nächstgelegenen Dorf Souzy-la-Briche weiß niemand, was in dem Palast eigentlich vor sich geht. „Vielleicht Agententraining“, mutmaßte gleich ein Dorfbewohner. Sicher ist nur, daß die übrigen lebendigen Gastgeschenke des Präsidenten – sibirische Bären, bengalische Tiger oder Giraffen aus dem Tschad – dort nicht untergebracht sind. Ein Staatsgast mißtraute der französischen Fürsorge von Anfang an: Der indische Premierminister Rajiv Gandhi brachte 1985 „Kaveri“, einen Elefanten, eigenhändig in den Zoo von Vincennes, nachdem dieser sich dem Präsidenten zu Stufen des Elysee-Palastes präsentiert hatte. Bettina Kaps