■ Nach tagelangem Auszählen stellt der ANC, knapp vorbei an der Zweidrittelmehrheit, erste Regierungsmitglieder vor
: Zähmung der Widerspenstigen, um das Land neu aufzubauen

Während in Pretoria die Vorbereitungen für die Inauguration Nelson Mandelas am kommenden Dienstag auf Hochtouren laufen, hat der neue Präsident bereits entscheidende Weichen gestellt. Die Ernennung des urbanen Pfeifenrauchers Thabo Mbeki zum ersten Vizepräsidenten (F.W. de Klerk wird zweiter) ist ein weiterer deutlicher Hinweis auf die parteiübergreifende Politik der nationalen Versöhnung, die sich Mandela zum Programm gemacht hat. Der Diplomat Mbeki, der lange die Auslandsabteilung des ANC leitete und zu den führenden Strategen der Exilorganisation gehörte, spielte eine Schlüsselrolle beim Zustandekommen der Wahlbeteiligung von Mangosuthu Buthelezis „Inkatha Freiheits Partei“ und der weißen Rechten unter Constand Viljoen. Trotz seiner langen Jahre in der traditionell stalinistisch geprägten „Kommunistischen Partei Südafrikas“ gilt Mbeki als der Pragmatiker schlechthin. Ihm wird eine entscheidende Aufgabe im Ausgleich der unterschiedlichen regionalen und parteipolitischen Interessen zukommen, insbesondere beim Einbinden des widerspenstigen Buthelezi und des Ex-Generals Viljoen. Gelingt dies, kann man mit einem alsbaldigen Verschwinden der bombenden Gegner der Demokratie in der Bedeutungs- und Einflußlosigkeit rechnen.

Für Buthelezi ist durch den Wahlsieg von Inkatha in Natal – auch wenn es nicht mit rechten Dingen zugegangen ist – der Anreiz, sich nach parlamentarischen Spielregeln zu verhalten, gestiegen. Die ausgehandelte Stellung des Zulu-Königs, vom ANC zu einer Zeit gutgeheißen, als der noch von seinem Wahlsieg auch in dieser Provinz ausging, und die Kontrolle der Regionalregierung über Polizei und öffentlichen Dienst eröffnen dem Inkatha-Chef viele Möglichkeiten, trotz seiner nur zehn Prozent bei der Bundeswahl eine auch national bedeutsame Machtbasis auszubauen. Vielleicht wird der sehnliche Wunsch seiner Unterstützer bei der deutschen Konrad-Adenauer- Stiftung, er möge sich zu einem afrikanischen FJ Strauß entwickeln, noch wahr!

Die Kabinettsliste enthält mehrere Überraschungen, vor allem die Nachricht, daß ANC-Generalsekretär Cyril Ramaphosa zugunsten seiner Stellung in der Partei auf ein Regierungsamt verzichtet hat. Ramaphosa, ehemaliger Gewerkschaftsführer und exponierter Vertreter des internen Flügels der Partei, war noch Anfang der Woche ernsthaft als Vizepräsident im Gespräch. Seine Entscheidung zeigt, daß sich Mandela Sorgen um die Zukunft des ANC macht und daß er sich dort eine starke Hand wünscht. Noch etwas macht Ramaphosas Niederlage deutlich: Der Trenngraben innerhalb des ANC zwischen den Aktivisten der achtziger Jahre und der alten Garde der Robben- Island-Gefangenen und Exilanten ist immer noch tief. Dieser Eindruck wird durch die Ernennung von mehreren altgedienten Kämpen verstärkt, offenbar hauptsächlich wegen ihres Stallgeruchs und weniger aus Kompetenzgründen, weshalb Mandela auch mit Kritik rechnen kann.

Obwohl seine Mehrheit knapp unterhalb der 66,6-Prozent-Grenze liegt, eröffnet sie dem neuen Präsidenten in Verbindung mit seinem Hauptkoalitionspartner de Klerk die Möglichkeit, in den nächsten fünf Jahren unangefochten die verfassungsrechtliche und wirtschaftliche Richtung Südafrikas zu bestimmen.

Hier wird die Aufgabe dadurch erleichtert, daß zwischen dem ANC und de Klerks „Nationalpartei“ bereits weitgehende Einigkeit erzielt worden ist. Dies wird dadurch unterstrichen, daß der Posten des Finanzministers offensichtlich an den gegenwärtigen Amtsinhaber Derek Keys von der NP gehen wird. Mit großen Veränderungen der Verfassung ist nicht mehr zu rechnen. Die großen Parteien sind weitestgehend zufrieden mit dem Erreichten, und sie wollen Buthelezi keine Gründe für eine Rückkehr zur außerparlamentarischen Politik geben.

Mit der Ernennung von gut ausgebildeten und dynamischen ANC-Leuten in den Ressorts Erziehung, Gesundheit, Wirtschaft und Industrie, Wohnungsbau und öffentliche Aufgaben hat der ANC-Chef außerdem klargemacht, wo die wirklichen Schwerpunkte der nächsten fünf Jahre liegen werden: im Verbessern der Lebensbedingungen der Mehrheit der Südafrikaner und im Sichern der wirtschaftlichen Basis des Landes. Mbeki wird gemeinsam mit Mandela für das Atmosphärische, für die Heilung der alten Wunden und für die Zähmung der widerspenstigen weißen wie schwarzen Rechten sorgen. Alles in allem eine Regierung des Wiederaufbaus. Stephen Laufer

Redakteur bei der alternativen Johannesburger Wochenzeitung „Weekly Mail“