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Ungarns Sozialisten wollen sparen

■ MSZP ist aussichtsreichste Partei bei den morgigen Parlamentswahlen

Budapest (taz) – Zum Schluß wurde der Wahlkampf in Ungarn doch noch etwas schmutzig: Vor einer Woche präsentierte das regierungsnahe Fernsehen einen Mann, der vorgab, nach der Revolution von 1956 vom Sozialistenchef Gyula Horn mißhandelt worden zu sein. Weitere Beweise oder Indizien enthielt der höchst tendenziöse Bericht nicht, der in einem für seine ausgesprochen rechte Haltung bekannten TV-Magazin gesendet wurde.

Es hat nichts geholfen. Bei den morgigen Parlamentswahlen, zu denen rund achteinhalb Millionen ungarische Bürger aufgerufen sind, heißt die Favoritin „Ungarische Sozialistische Partei“ – die Nachfolgerin der einstigen Reformkommunisten. Die MSZP, der zwischen 30 und 35 Prozent der Stimmen vorausgesagt werden, hat im Wahlkampf kein Kapital aus den alten Zeiten geschlagen, selbst wenn wohl viele die letzten Amtsjahre der Reformkommunisten mit sozialer Sicherheit assoziieren.

Zwar scheint der Tiefpunkt der Wirtschaftskrise seit Monaten überwunden. Doch gibt es offiziell mehr als 600.000 Arbeitslose unter den zehn Millionen Ungarn.

Schlechte Zeiten für RentnerInnen

Vor allem die zweieinhalb Millionen RentnerInnen leben schlechter. Seit geraumer Zeit konnte die Regierung bei der Inflationsbekämpfung keine Fortschritte erzielen. Der MSZP-Vorsitzende Gyula Horn erlitt am Donnerstag schwere Verletzungen bei einem Autounfall und schied aus dem Endspurt vor dem Wahlkampf aus. Für eine Regierung unter seiner Ägide hatte er im Wahlkampf „mehr Sachverstand“ angekündigt. Sparmaßnahmen in Ungarns Verwaltungs- und Ministerialapparat und ein besseres Sozialsystem sind wichtige Forderungen der Partei. Daneben stehen Inflationsbekämpfung, Verbesserung des makroökonomischen Gleichgewichtes und ein Rückzug des Staates aus der Wirtschaft.

Während die Sozialisten den Eindruck von Professionalität hinterlassen, hat sich die größte Regierungspartei „Ungarisches Demokratisches Forum“ (MDF) wenig um die Lösung wichtiger ökonomischer Probleme gekümmert und viel „politisiert“. Zwar ist ein Teil ihrer christlich-national-konservativen Rhetorik dem derzeitigen Wahlkampf zuzuschreiben. Doch sollte das MDF an einer zukünftigen Regierung teilnehmen – die Umfragen geben ihm derzeit 10 bis 12 Prozent – wäre auch in Zukunft eine starke staatliche Einflußnahme auf die Wirtschaft zu erwarten.

Der „liberale Block“ mit den beiden wichtigsten Parteien „Bund Freier Demokraten“ (SZDSZ) und „Bund Junger Demokraten“ (Fidesz) ist mit dem Ziel angetreten, die Mehrheit der Stimmen zu gewinnen.

Schlechte Chancen für Liberale

Die Chancen dafür sind allerdings eher gering. SZDSZ, von ehemaligen Bürgerrechtlern gegründet, hat während des Wahlkampfes erfolgreich ein sozialliberales Wirtschaftsprogramm vorgelegt und so an Sympathien gewonnen. Er könnte mit etwa 16 Prozent auf Platz zwei nach den Sozialisten kommen. Fidesz (Prognose: etwa 10 Prozent) jedoch, einst als alternative Jugendpartei Hoffnungsträger im Lande, schwenkte vor knapp einem Jahr auf eine „gemäßigt-nationale“ Linie um und hat bei vielen Ungarn den Eindruck erweckt, es gehe der Partei nur um eine Beteiligung an der Macht.

Aufgrund des gemischten Wahlsystems werden die Ungarn am 29. Mai dort noch einmal zu den Urnen gehen, wo einzelne Kandidaten bei dem morgigen ersten Wahlgang keine Mehrheit erreichen. Für die Koalitionsverhandlungen, die in der Zwischenzeit zu erwarten sind, hat sich noch keine der vier großen Parteien festlegen wollen. So wird es in jedem Fall noch einige Wochen dauern, bis die neue Regierung ihr Amt antritt. Keno Verseck

Siehe Seiten 10 und 11

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