Jemen erneut zweigeteilt

Bürgerkrieg im erst vor vier Jahren vereinten Land  ■ Von Karim El-Gawhary

Kairo (taz) – Im Arabia Felix, im glücklichen Arabien, wie die Römer den Jemen zu benennen pflegten, herrscht Bürgerkrieg. Als Konsequenz daraus wurde nun auch die politische Trennung des Landes zwischen Nord und Süd de facto vollzogen. Der Schein der Einheit des Landes wurde endgültig aufgegeben. Das vom Norden dominierte Parlament in der Hauptstadt Sanaa hatte in der Nacht zum Freitag den Vizepräsidenten des Gesamtjemen und ehemaligen Präsidenten des Südens, Ali Salim al-Bayd, und seine ebenfalls aus dem Süden stammenden Kollegen des Amtes enthoben. In einer Erklärung wurde al-Bayd als ein „Aufständischer“ bezeichnet, der die Verfassung verletzt und für die jetzige Krise vollkommen verantwortlich sei.

In der gleichen Nacht beschloß der fünfköpfige Präsidentenrat, ohne seine zwei südlichen Mitglieder, die Entlassung des ebenfalls aus dem Süden kommenden Verteidigungsministers Haisam Qassem Taher. Er soll als Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt werden.

Die akute Krise begann letzten August, als Vizepräsident al-Bayd nach Aden ins Exil zog. Damals warf er dem Präsidenten und Vorsitzenden der Nordpartei „Volkskongreß“, Ali Saleh, vor, den Süden dominieren zu wollen. Der Volkskongreß hatte sich zuvor mit der islamistischen Reformpartei praktisch zu einer Koalition zusammengeschlossen. Beide Parteien, mit ihrer Wählerschaft fast ausschließlich im nördlichen Teil des Landes, verfügen seit den Wahlen im Mai letzten Jahres über die absolute Mehrheit der Parlamentssitze.

Es war auch die Angst um seine persönliche Sicherheit, die al-Bayd zu seiner eigenen Anhängerschaft nach Aden trieb. Nach Angaben der sozialistischen Partei wurden seit der Vereinigung mehr als 150 ihrer Mitglieder ermordet, ohne daß bisher irgend jemand dafür angeklagt wurde.

Ein 18-Punkte-Plan, der dem Land eine föderale Struktur geben sollte, wurde diskutiert, aber nie umgesetzt. Ende letzten Jahres postierten sich schließlich die nie vereinheitlichten Armeen an der alten Grenze zwischen Nord und Süd. Kurz darauf schlossen sich auch die anderen Minister aus dem Süden al-Bayds Exilantentum in Aden an. Die Regierung war fortan gelähmt. Auch ein letzter Versöhnungsversuch unter der Mithilfe Jordaniens scheiterte im Februar. Unter großem Pomp unterzeichneten die zwei streitenden Alis damals in Amman ein Dokument, das den Weg zu einem föderativen System und erneuter Zusammenarbeit zwischen den verfeindeten Parteien bereiten sollte. Doch Bevor die Tinte trocken war, kam es bereits zu kleineren Gefechten zwischen den beiden Armeen. Von da an ging es konstant bergab. Ali Saleh und Ali Bayd waren nur noch damit beschäftigt, durch intensive Reisetätigkeit die Unterstützung anderer arabischer Länder für ihre eigene Seite zu gewinnen.

Mit dem Ausbruch der militärischen Konfrontationen ist nicht nur der Traum von der jemenitischen Einheit endgültig ausgeträumt. Auch der Zug für ein föderatives System scheint abgefahren zu sein. Ein Ende der Kämpfe ist nicht abzusehen. Vermittlungsversuche von UN-Generalsekretär Butros Butros Ghali und der Präsidenten Ägyptens, Syriens, Libyens, Algeriens und Tunesiens blieben bisher erfolglos. Ein hoher Offizieller aus dem Süden bezeichnete die Verantwortlichen aus dem Norden als „Clique, die sich blutige Verbrechen zuschulden kommen läßt.“ „Ali al-Bayd ist ein Verräter, der den totalen Krieg entfacht“, entgegnete eine Radiostation aus dem Norden.

Westliche Regierungen trafen unterdessen Vorbereitungen, um ihre Staatsbürger aus dem Land zu holen. Aus dem Auswärtigen Amt war zu erfahren, daß 20 in Aden lebende Deutsche bereits von französischen Militärs evakuiert wurden. Auf dem Flughafen von Sanaa stehe seit Tagen „zufällig“ eine Transall-Maschine, mit der weitere Bundesbürger ausgeflogen werden könnten. Das Flugzeug habe Sanitätsausrüstung in den Jemen geflogen und sei von dem Bürgerkrieg überrascht worden.